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Kapitel 2

Auf dem nuklearen Archipel

 

Der einzige nicht-russische Bezirk des Gebietes von Tscheljabinsk ist der Bezirk von Kunaschak. Nach den offiziellen Angaben bilden die Slawen nur sieben Prozent der Bevölkerung des Bezirks. Die übrigen 93 % der Bewohner bildet das Turkvolk, das heißt, Tataren und Baschkiren. Am meisten gelitten an der Strahlungsansteckung haben ausgerechnet sie, ausgerechnet sie wurden dem qualvollen Verfall geweiht. Das Kombinat " Majak " befindet sich auch auf dem Boden des Bezirks Kunaschak. Oberhalb liegen die tausendjährigen tatarischen Siedlungen, unterhalb die Industrie des Todes, die eine tausendjährige Tragödie verspricht. 80-90 % hiesiger Bevölkerung leiden an verschiedenen Formen des Krebses und der Strahlenkrankheit. Die absolute Mehrheit derer, die die tödlichen Erkrankungen bekommen haben, sind Tataren. Sie sind die nuklearen Geiseln Russlands, sie sind Opfer des atomaren Genozids. Wir haben das Recht, das, was geschieht, genau so zu benennen, weil davon das ganze Leben der tatarischen Bevölkerung in der tödlich infizierten Zone zeugt.

Eine spezielle Gruppe des Weltkongresses der Tataren ist in Mai 2003 in den Bezirk von Kunaschak des Tscheljabinsk Gebietes angekommen, um die Tatsachen des Verstoßes gegen die Menschenrechte zu studieren. Zu der Gruppe gehörten die Juristen Rosa FARDIEWA, DSHAMIL SAFIULLIN, GULNAZ HUSNUTDINOW, der Vorsitzende des antinuklearen Komitees von Tatarstan ALBERT GARAPOW, der Journalist des Senders TNV von Tatarstan FIRDUS GIMALTDINOW und ich, das Mitglied des Exekutivkomitees des Weltkongresses der Tataren, die Schriftstellerin FAUZIA BAIRAMOWA.

Das, was wir hier gesehen und gehört haben, erschüttert die Seele. Ja, hier schreit jedes Dorf, jede Quelle, jeder Bewohner, jeder Friedhof zu der ganzen Welt: "Wir wurden Opfer eines ungeheuren Experiments..." Hier sind alle Menschenrechte verletzt, mit den Füßen zertreten, zerstört. Das Hauptrecht des Menschen, das von Allah geschenkt wurde, ist ein Recht auf das Leben. Doch hier wird das Leben der Tataren vom Atom beherrscht. Ja, der Mensch hat Recht auf das gesunde Leben, die saubere Natur, die gesunde Nahrung. Doch leben die Tataren des Bezirkes Kunaschak ständig in einer radioaktiven Umgebung, trinken das mit den radioaktiven Abfällen infizierte Wasser, ernähren sich mit infizierten Radionukliden des Grundes, atmen die mit der Strahlung infizierte Luft.

Daraufhin erkranken sie an schrecklichen Krankheiten, sterben einen qualvollen Tod.

Jeder Mensch hat auch das Recht, die Bildung in seiner Muttersprache zu bekommen, ist berechtigt, seine Religion auszuüben. Doch im nationalen Bezirk Kunaschak gibt es keine reintatarischen Schulen. In einigen ländlichen Schulen ist eine Stunde der Muttersprache in der Woche erhalten geblieben, sie wird nur als ein Fach, wie eine Fremdsprache unterrichtet. Alles Übrige wird auf Russisch unterrichtet. Das Volk, das sich jahrhundertelang zu dem Islam bekannte, wurde in den letzten 70-80 Jahre von der Religion ferngehalten, die alten Moscheen wurden als Viehställe benutzt, die Geistlichen wurden ausgelöscht. Dem Volk bläute man ein, dass "die alkoholischen Getränke die Strahlung herausführen, und unter diesem Vorwand hat man es regelrecht zum Trinken verleitet. Den unglücklichen, dem Tod geweihten Menschen händigte man den billigen Wodka aus... Darin sieht man die tückische Politik der russischen Mächte: die die Strahlung überlebenden Tataren sollten vom Alkohol zerstört werden. Dieses Schicksal teilt das tatarische Volk mit vielen Minderheiten weltweit. Man denke an die indigene Bevölkerung Nord-rund Südamerikas, sowie Australiens usw. Die indigene Urbevölkerung ist in den Reservaten und außerhalb einem starken Assimilationsdruck ausgesetzt, wobei die Individuen die Verbindung zu den eigenen Wurzeln verlieren. Obwohl die Tataren nicht in den Reservaten zusammengepfercht sind, ist eine Gettoisierung zu beobachten – allerdings au dem verseuchten Boden. Doch einen Menschen, dessen Wurzeln bis zum Propheten Noah, zum heldenhaften König Etzel, zu turk-tatarischen Kaganaten, zur Goldenen Horde, zu Nugaj-Ural-Tataren gehen, solch einen Menschen kann sogar das Atom nicht vollständig zerstören. Während sie wie eine türkische Atlantis in die Ewigkeit eingehen, schicken sie eine Botschaft der ganzen Menschheit, sie läuten Sturm, warnen alle... "DER WELT DROHT EINE NUKLEARE KATASTROPHE! WIR, TATAREN, SIND OPFER EINER ATOMTRAGÖDIE! UNSER SCHICKSAL SOLL EUCH EINE LEHRE SEIN, ES SOLL ANDEREN HELFEN, SICH ZU RETTEN... "

Hier gibt es keine Weiden,
Hier ist's Ende der Welt...
Stacheldraht und das Leiden,
Wo sind wir? Im KZ?

Es ist wahr, kein Alptraum...
Was sind wir für ein Volk?!
Im verpesteten Raum
Redet man vom Erfolg.

Ja, wir sind unbelehrbar,
Weinen können nur das Wort.
Tetscha Fluss wie die Pripjat
Tragen Abfälle fort.

           M. Schanbatujew (Frei übersetzt von Alia Taissina)

Die erste Insel DES NUKLEAREN Archipels von Russland ist das alte tatarische Dorf Musljumowo. Es liegt 30 km flussabwärts vom "Majak" am Fluss Tetscha. Man kann vermuten, dass es schon etwa 1500 Jahre alt ist, weil die goldenen Schätze tatarischer Hunnen hier 1895 gefunden und nach St. Petersburg gebracht wurden. In dieser Region befinden sich alte tatarische Grabhügel, die Grabstätten, sogar Siedlungen … Die Stadt Arkaim im Gebiet Tscheljabinsk ist nicht weniger als viertausend Jahre alt. Das alles ist das historische Erbe des turk-tatarischen Volkes. Und heute ist dieses alte Volk, seine einzigartige Kultur, die fleißigen Tataren zum qualvollen Tod durch die Bemühungen der Atomindustrie verdammt. Wir sind berechtigt, es nicht nur als einen Verstoß gegen die Menschenrechte der Tataren, sondern auch wie ein Verbrechen gegen die ganze Menschheit zu bewerten.

Das Dorf Musljumowo, wo einst das Leben sprühte, ist heute vom Stacheldraht umgeben. Es heißt, man bewahrt das Volk auf solche Weise vor dem radioaktiven Fluss Tetscha. Und wohin soll das Volk gehen, wenn es keine andere Wasserquelle gibt?! Die Haustiere weiden an diesem Fluss, und die Kinder verbringen den ganzen Sommer dort, und für die wirtschaftlichen Belange schöpft man das Wasser auch dort. Und in diesen Fluss hat "Majak" radioaktive Abfälle mit der Ausstrahlung von 150 Millionen Curie eingeleitet. Jetzt noch gibt es auf seinen Ufern Orte, wo die Intensität der Strahlung die maximal zulässigen Normen in 1000 (!) Mal übertrifft. Das hiesige Volk ist einfach gezwungen, unter solchen Bedingungen zu leben. Es ist an seine atomare "Insel" gefesselt.
Und als Folge davon rascheln am Dorfrand unruhig die Bäume von sechs Friedhöfen … Auf ihnen erscheinen jeden Tag neue Gräber. Die Luft, das Wasser, der Grund in Musljumowo sind übersättigt von der Strahlung. Das Dorf und die Menschen leben in der Erwartung eines qualvollen Todes… Musljumowo ist verloren, es verfällt, die Menschen, die immer noch auf die Übersiedlung hoffen, bauen keine neuen Häuser. Im Endeffekt, werden alle - einer nach dem anderen - auf den Friedhof… übersiedeln.

In 1957 war nach der Explosion auf dem "Majak", der Beschluss über die Übersiedlung von Musljumowo in einen anderen Ort gefasst worden. Doch fand aus unverständlichen Gründen die Übersiedlung nicht statt. Wie zum Spott hat man einige Häuser von einem Ufer der Tetscha auf das andere versetzt, und später wurde berichtet, dass das Dorf umgesiedelt sei. Natürlich sagte man dem Volk nicht die Wahrheit, über die Todesgefahr wurde es nicht informiert. Und die plötzliche Zunahme der Sterblichkeit und verschiedener Krankheiten interpretierte man auf eigene Art: Die Tataren trinken, ernähren sich schlecht, heiraten nahe Verwandte, deshalb angeblich das totale Sterben, die Degeneration …

Die Tataren waren tausend Jahre kräftig und gesund, in jeder Familie wuchsen bis zu zehn Kindern auf, alkoholische Getränke wurden im allgemeinen nicht genossen, sie bewahrten ihren Glauben, ihre Sprache, ihren Stammbaum. Und jetzt gegen Ende des 20. Jahrhundertes arten sie aus irgendeinem Grunde aus… Das versucht man den hiesigen Tataren einzubläuen und sie zu zwingen, daran zu glauben.

Das ungeheure Geheimnis wurde nur nach dem Unfall von Tschernobyl in den Jahren der Perestrojka gelüftet: Es stellte sich plötzlich heraus, dass das Dorf Musljumowo sich schon fast seit einem halben Jahrhundert in der Zone der tödlichen Strahlung befindet! Das "Majak" leitet die radioaktiven Abfälle geradewegs in Tetscha ein! Im Laufe der Jahre 1957-1967 litt das Dorf Musljumowo am meisten unter der Strahlung!

Deshalb sind 80-90% der Dorfbewohner krank und verkrüppelt, deshalb kommen die Kinder ohne Gehirn, die Kinder mit Fischschwänzen zur Welt … Das Volk, erschüttert durch das gelüftete Geheimnis, revoltierte beinahe, es fing an, die Übersiedlung in eine ökologisch saubere Gegend zu fordern. Im Dorf entstand eine Bürgerinitiative nach der anderen: "Die weißen Mäuse", "Die Atomgeiseln", dann "Das Sturmläuten", "Die Tetscha", "Aigul". Sie alle hatten eine gemeinsame Forderung: die Menschen in eine ökologisch saubere Gegend umzusiedeln. Das gemeinsame Leiden hat Tataren, Baschkiren, und wenige Russen vereint. Die Briefe und die Beschwerden der Bewohner von Musljumowo flogen an die hohen Stellen von Moskau und Tscheljabinsk. Über die Tragödie von Musljumowo erfuhr man sogar im Ausland. Gelehrte aus Japan, Holland, den USA besuchten das Dorf.

Klar, das zerfallende sowjetische Imperium bemühte sich aus allen Kräften, sie nicht dorthin zu lassen. Doch war es unmöglich, die Tragödie von Musljumowo durch die Verbote, Verordnungen und Befehle zu verbergen. Der Ruf der Tataren um Hilfe erreichte die ganze Welt und erschütterte sie. Deshalb stellt die Welt die Kyschtym-Tragödie der Tataren neben Hiroshima und Tschernobyl…

In Juni 1991 kommt vor den Präsidentenwahlen Boris Jelzin in Musljumowo an und verspricht den Dorfbewohnern Hilfe. Doch man musste sogar auf die teilweise Erfüllung seiner Versprechen zwei Jahre warten. Der mächtige Druck der Öffentlichkeit, der internationalen Organisationen hat Moskau gezwungen, einige Maßnamen in dieser Frage zu veranlassen. Am 25. Mai 1993 erlässt der oberste Rat Russischer Föderation das föderale Gesetz "Über den sozialen Schutz der Bürger, die sich der Einwirkung der Strahlung infolge des Unfalles in 1957 im Kombinat "Majak" und Ableitung der radioaktiven Abfälle in den Fluss Tetscha unterzogen haben". Nach diesem Gesetz waren die Bewohner von Musljumowo, die an der Strahlung litten, den Geschädigten von Tschernobyl gleichgestellt, man teilte ihnen dementsprechend bestimmte Privilegien zu. Zwecks der Realisierung des Gesetzes erlässt die Regierung der Russischen Föderation im Oktober 1993 eine spezielle Verordnung. Tatsächlich taute das atomare Eis, das die Landbevölkerung drückte, endlich etwas auf - in Moskau wurden speziell für sie Gesetze und Verordnungen erlassen. .. Wenn es Gesetze und Verordnungen gibt, so ist es jedem klar, dass für ihre Realisierung das entsprechende Geld zugewiesen werden muss. Aber warum hat sich dann in Musljumowo in zehn Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nichts geändert? Das Dorf ist nicht umgesiedelt, es stirbt in der Strahlungszone aus. Den Status "Die Opfer von Tschernobyl" gibt man sehr selektiv, nur denen, die sich schon am Rand des Todes befinden. Die Privilegien und die Unterstützungen sind so klein, dass sie sogar für Medikamente nicht reichen. Die Antwort ist hier klar: das ist ja Russland! Hier können Gesetze erlassen werden, aber sie funktionieren nicht, das Geld wird gestohlen, das menschliche Leben ist keinen Heller wert...

Durch die Bemühungen der Dorfbewohner, einer ökologisch-rechtlichen Organisation, kommt auf die Welt noch eine Direktive zu. Am 24. November 1994 unterschreibt der Gouverneur des Tscheljabinsk Gebietes die Verordnung "Über die Übersiedlung der Bewohner des Dorfes und der Station Musljumowo des Bezirkes Kunaschak". Laut diesem Dokument sollten die Bewohner des Dorfes innerhalb des Bezirks Kunaschak umgesiedelt werden. Für viertausend Bewohner von Musljumowo wird in der Kreisstadt Kunaschak ein Haus mit 60 Wohnungen gebaut. Vor allem waren es die Geschädigten von der Strahlung, die dorthin umgesiedelt wurden. Doch die Sache hatte nach russländischer Art wieder einen Hacken! Nach der Ausreise aus Musljumowo, werden diesen Menschen alle Privilegien entzogen, sie sind dazu verdammt, in ihren Steinschachtel - Wohnungen auf den Tod zu warten. Ob du verstrahlt bist, oder krebskrank, umgesiedelt an einen anderen Ort, verlierst du automatisch alle Unterstützungen und Privilegien. Für Invaliden, die nur mit diesen Unterstützungen überleben, bedeutet das tatsächlich ein Todesurteil... Ein Teil der Menschen, die das nicht ertragen konnten, kehrten nach Musljumowo zurück, um die Privilegien und die Unterstützungen von neuem zu bekommen. Dieses Mal für immer, um in der Heimat zu sterben... Es geschehen merkwürdige Sachen - die Behörden zwingen quasi die Bewohner von Musljumowo auf die von der Strahlung infizierte Böden und nageln sie dort fest, indem sie ihnen absichtlich die Privilegien und die Unterstützung wegnehmen...Kann es sein, dass sie die Aussiedlung der Opfer der Strahlung aus dem Dorf nicht wollen? Wenn einige Ökologen von Tscheljabinsk sagen, dass diese Tataren für die Experimente auf der infizierten Erde notwendig sind, dann sieht es so aus, dass sie die Wahrheit sagen. Darüber schreibt die Menschenrechtlerin und bekannte Aktivistin der ökologischen Bewegung des Tscheljabinsk Gebietes Natalia Mironowa:

"Was für eine Moral sollen ein Staat und seine Gesundheitsfürsorge- und Hygieneaufsicht haben, um die Menschen - die Alten, die Frauen, die Kinder im Laufe von 40 Jahren zu BEOBACHTEN (!), die auf den festen radioaktiven Abfällen wohnen und eine mit den Radionukliden verschmutzte Nahrung konsumieren?!"

 ("Auf den Wegen zur geistig - ökonomischen Zivilisation". Kazan, 1996, S. 29.)

Auf solche Weise, bleibt alles wie es ist - vergiftete Dörfer und verstrahlte Kranke, und der mit den Radionukliden gefüllte Fluss Tetscha, und die Quelle aller diesen Leiden - das "Majak". Im Dorf ändert sich nichts, es gibt nur immer mehr neue Friedhöfe. Heute werden in Musljumowo 3968 Menschen gezählt, die an der Strahlung litten, 204 von ihnen leiden an der Strahlenkrankheit, die übrigen haben Krebs, Herz- und anderen Erkrankungen. Für diese Anzahl der Kranken im Dorf gibt es ein Krankenhaus mit 25 Betten, übrigens sagt man, dass es auch bald geschlossen wird. Im Krankenhaus liegen Invaliden der ersten Gruppe, die an der Strahlen-krankheit in schwerster Form leiden. Doch gibt es hier keine Bedingungen für die Behandlung solcher Kranken.

Die notwendigen Medikamente, Binden, Spritzen, sogar manche medizinischen Geräte bringen Kranke mit sich. Die mickrigen vom Staat gewährten Unterstützungen von 200-300 Rubeln werden von ihnen für diese Zwecke ausgegeben. Auf Tausende Krebskranke der Landbevölkerung kommt nur ein Arzt. Und Ärzte aus Moskau und Tscheljabinsk kommen hierher nur in ihrer eigenen Sache, manchmal nehmen sie Menschen mit oder überweisen sie an die Krankenhäuser in der Hauptstadt (Moskau - A.T.), wo an ihnen neue Medikamente gegen die Strahlung getestet werden. Die Ergebnisse der Forschung werden dem Kranken, natürlich, nicht mitgeteilt. Es ist sogar bekannt, dass man die Bewohner von Musljumowo in Tscheljabinsk in den Krankenzimmern hielt, wo sich Untersuchungshunde und Mäuse nebenan befanden... Nur sie hörten die letzten Stöhne der Dorftataren...

Was die Kranken betrifft, da gibt es noch eine Seltsamkeit: in Tscheljabinsk macht man alles, um bei ihnen onkologische Erkrankungen nicht zu diagnostizieren. Die Menschen werden betrogen, auf jede Weise wird die Enddiagnose verzögert, und der Krebs wird erst vor dem Tod festgestellt. Natürlich, muss man nicht zweifeln, dass den Behörden dabei ums Geldsparen und die Schönung der Statistik der Krebserkrankungen geht. Die russischen Ärzte verbergen alles vor den Bewohnern des aufgegebenen Dorfes. Nur durch die Bemühungen der Ökologen und Menschenrechtler werden die Ergebnisse der nuklearen Tragödie der internationalen Öffentlichkeit bekannt. Das sind die Ergebnisse der ungeheuren nuklearen Experimente mit den Tataren der russischen Regierung, des Militärs, der Atomwissenschaftler, einiger gewissenlosen Ärzte, die schon 50 Jahre andauern.

Die vom Atom gebrandmarkten Tataren

Heute ist im Dorf Musljumowo jedes vierte Kind ein Mutant, das heißt, genetisch verkrüppelt.
Jedes fünfte Kind leidet an den Herzkrankheiten oder Krankheiten der Atemwege. Jedes sechste Kind leidet an den Krankheiten des Magendarmtraktes.

70 % der Schüler haben Defekte der geistigen Entwicklung, bei ihnen entwickelt sich das Gehirn nicht oder dort befindet sich Wasser.

Sogar bei denen, die nach 1997 geboren sind, gibt es im Blut Anzeichen der atomaren Bestrahlung.

Im Dorf Musljumowo kommen fast alle Kinder mit einer oder anderen Anomalie zur Welt. Bei einem wächst das Gehirn nicht, bei einem anderen entwickelt sich die Leber nicht, bei einigen liegen das Herz und andere Organe nicht richtig. Sagen wir: 1997 sind 47 Kinder geboren, bei 30 von ihnen sind verschiedene Anomalien (67,8 %) entdeckt.

1998 sind 57 Kinder geboren, 28 von ihnen haben verschiedene Anomalien (49,1 %).

1999 sind 45 Kinder geboren, 43 von ihnen mit der Anomalie (95,5 %).

Im Dorf Musljumowo leiden 90 % der Kinder an der Anämie, bei ihnen wird Kraftlosigkeit, eine fehlende Immunität beobachtet.

Im Dorf Musljumowo gibt es dreijährige Kinder mit dem Ausweis "Kind-Invalide", sie bekommen vom Staat eine monatliche Unterstützung in Höhe von 40 Rubeln...

In Musljumowo leiden die Kinder genetisch viel mehr, als die Erwachsenen. Die Strahlung, die in ihre Organismen geraten ist, kann dort im Laufe von 300 Jahren erhalten werden und ihre verderbliche Wirkung leisten, das heißt, nachfolgende 40 Generationen werden Kranke und Krüppel sein...

In Musljumowo gibt es schon vollständig ausgestorbene Familien, es sterben ganze Sippen aus. Hier übersteigt die Zahl Sterbender die Zahl der Neugeborenen zweimal:

2000 sind 39 Kinder geboren, 76 Menschen sind gestorben;
2001 sind 58 Kinder geboren, 81 Menschen sind gestorben;
2002 sind 64 Kinder geboren, 96 Menschen sind gestorben;
2003 sind in vier Monaten 19 Kinder geboren, 32 Menschen sind gestorben.

IM DORF MUSLJUMOWO IST DIE DURCHSCHNITTLICHE LEBENSDAUER 40-45 JAHRE...

Die Erkrankungshäufigkeit an Krebs übertrifft hier die Durchschnittszahl anderer Regionen um 17-23 %...
Diese Region steht, was die Zahl der Leukämiekranker (Blutkrebs) prozentuell betrifft, an zweiter Stelle nach Hiroshima und Nagasaki!!!

Im Dorf Musljumowo gibt es alle Arten von Krebs! Man kann sagen, dass hier von 1960 bis jetzt eine echte Krebsepidemie wütet. Hier sind Menschen an Lungenkrebs, an Krebs des Magens, des Magen-Darm-Kanals, der Gebärmutter, der Brust, des Blutes, der Leber, des Gehirns, der Kehle, des Nahrungstraktes, des Gesichts, der Haut, der Knochen, der Atmungsorgane, der Milz, der Zunge, der Drüsen, des Herzens und anderer Organe gestorben...Und sie sterben weiter... Es sind Tataren, die ohne nötige Pflege, Medikamente, richtige Ernährung, finanzielle Unterstützung sterben... Ich sage TATAREN, weil im langen Martyrolog aus Hunderten der Nachnamen nur wenige russisch sind. Z. B., da ist die Liste derer, die 2002 an Krebs gestorben sind:

Abdullina Nailia Sinnatowna
Agsamowa Madina Gatiatullowna
Baibulatow Minnidshan Ramazanowitsch
Baranowskij Arkadij
Waliew Nurulla Muhibullowitsch
Wafina Zagira Gabdrahmanowna
Shinadarow Bulat
Karelina Walentina Pawlowna
Kindaraliew Nabi
Miftahow Kaschaf
Nasyirowa Homair Agajnetdinowa
Rahmatullina Galia Mannanowna
Sajethushin Abdulwali Sagitowitsch
Safiewa Riwa
Sultanow Abdulmashit
Timergasin Motijgulla Sultanhadijewitsch
Schaihislamow Hamit

Die Erde soll Ihnen Flaum sein, teure Glaubensgenossen, Landsleute... Es mögen die von Ihnen auf der Erde erlebten Leiden und Höllenqualen hier bleiben, es mögen Ihre Seelen ewige Ruhe finden...

In Musljumowo sind 95 % unter denen, die die Strahlenkrankheit bekamen und auf der Liste standen und daran gestorben sind, Tataren. Prachtvolle Sippen vieler mutiger tatarischen Männer gibt es nicht mehr auf der Welt: KAHIROWS, SHIGANDAROWS, SULTANOWS, HAJATOWS, RAHMATULLINS, GALIMOWS, GILJAZOWS, SAJETHUSHINS, FAISRAHMANOWS, WALIEWS, MIFTAHOWS und viele andere... Hunderte, Tausende Opfer des Atommonsters leben nicht mehr... Was ist es, wenn nicht der ethnische Genozid gegen Tataren? Und für dieses Verbrechen will sich niemand verantworten!!! Wenn im Himmel ein Vogel, in der See - eine Fischart, auf der Erde irgendein Insekt verschwindet, so schlägt die besorgte Öffentlichkeit Alarm. Und hier verschwindet ein ganzes Volk, Sippen, Familien... Alle sehen es, und alle schweigen...

Ich erinnere mich an die Worte einer jungen Bewohnerin von Musljumowo:

- Wir fürchten uns nicht vor dem Tod, wir fürchten vor der Qual und den schrecklichen Leiden vom Krebs... Und wir könnten ja ein so schönes Leben haben...

Ja, ihre Träume hat die Industrie des Todes zerstört. Sie hat ihnen ihre Lieben - Eltern, Kinder, Geschwister, ihre Geliebten, und schließlich das Leben selbst genommen...

Wir werden Ihnen die Geschichte über das Leben und den Tod der Tataren von Musljumowo erzählen. Sie sind von den Tataren geschrieben, die noch am Leben sind... Hier sieht man eine tiefe Kränkung dadurch, dass man sie zu so einem Martyrium verdammt hat... In ihnen ist auch die letzte Hoffnung zu überleben... ES IST DER LETZTE SCHREI DER SEELE DER TATARISCHEN ATLANTIS, DIE IN DEM ATOMSTRUDEL VERSINKT, ES KANN SEIN, DASS ES DIE LETZTE MITTEILUNG IST... Lesen Sie und erzittern Sie, lesen Sie und lernen Sie daraus, lesen Sie und denken Sie... HEUTE GEHEN SIE, UND MORGEN?

DIE FAMILIE VON HAJATOWS

"ICH, HAJATOWA GULFIRA SCHAJDULLOWNA (geborene RAHMATULLINA).

Die erste Erinnerung aus der Kindheit, die mit dem Fluss verbunden ist, ist ein Stacheldraht. Den Fluss sahen wir durch ihn und von der Brücke, damals noch der alten, hölzernen. Meine Eltern bemühten sich sehr, uns nicht zum Fluss zu lassen, wobei sie nicht erklärten, warum, offenbar wussten sie es selbst nicht. Wir liebten es, auf die Brücke hinaufzusteigen, wir bewunderten die Blumen, die auf einer kleinen Insel wuchsen, sie waren aus irgendeinem Grunde hellrosa. Wir beobachteten Fischlein, deren es sehr viele waren, und das Wasser war durchsichtig und sehr rein. Aber die Eltern sagten, dass der Fluss "atomar" wäre. Später, als ich begann, Physik zu lernen, habe ich verstanden, was Atome sind, begann, zu verstehen, was der Unterschied zwischen dem Atom des Flusses und anderen Atomen ist. Die Eltern sprachen über den Unfall von 1957 selten, und wenn, dann flüsternd. Die Mutti erzählte irgendwann, dass ab 1949 das Wasser im Fluss verdorben war, grün wurde, aber sie nahmen dort Wasser zum Trinken, wuschen die Wäsche, damals gab es noch keinen Stacheldraht. Ein Mensch namens Nigai verscheuchte sie vom Fluss, ich weiß nicht, ob es die offizielle Schutzwache war, oder jemand, der Bescheid wusste. Später bekam er den Spitznamen „Nigaj-Schwachkopf“, weil die Menschen es nicht verstanden, dass man nicht zum Fluss gehen darf, sie konnten sich ein Leben ohne Fluss nicht vorstellen.

Die Großmutter erzählte oft, wie der Fluss früher war. Nach ihren Erzählungen, war er breit und tief, aber sie konnte uns nicht auf die Frage antworten, wo das Wasser geblieben war, sagte, dass man den Fluss gestaut hatte. Zum ersten Mal begriff ich wohl, dass etwas mit unserem Fluss nicht stimmte, als ich mit der Mutter in ein anderes Dorf gefahren war und einen anderen Fluss gesehen hatte. Ich habe mich sehr gewundert, dass jener Fluss ohne Stacheldraht war, dass man sich ihm nähern konnte, dass es keine Miliz dort am Fluss gab. Und sogar nachdem man alles wusste, machte man weiter, (es gab ja keinen anderen Ort zum Baden), man ging im Sommer hin Wäsche waschen, man weidete dort Kälber und Gänse.

In den sechziger und siebziger Jahren wusste man nicht, dass es Strahlenkrankheit gibt, man sagte, man wäre an der "Flusskrankheit" gestorben. Die Nachbarin Sashida erzählte meiner Mutter, wie man sie nach dem Atomunfall nach Moskau brachte, offenbar stellte man bei ihr die "Flusskrankheit" fest, sie erzählte, wie man ihr eine Punktion des Rückenmarks abnahm, wie man sie behandelt hatte... 1992 starb sie an Kehlkopfkrebs.

Es kam mir ins Gedächtnis, wie wir mit der ganzen Klasse um ein Mädchen bangten, das Leukämie hatte. Es wurde in Moskau behandelt, es schrieb Briefe an seine Freundinnen. Das Mädchen wusste, dass es sterben würde, und es starb mit 18 Jahren. Den Namen und den Nachnamen weiß ich nicht mehr, weiß nur, dass die Familie in der Leninstraße lebte. Uns hat ihr Tod damals erschüttert.

In die Schule, nach Musljumowo, kamen jedes Jahr Ärzte aus der Filiale des Biophysischen Instituts, führten Untersuchungen durch. Besonders prägte sich eine ein: im Mund hältst du etwas Mikrofonartiges, und das Gerät zeigt etwas, aber man sagte uns nicht, was das war. Aber aus den Erzählungen der Erwachsenen verstand ich, dass man die Bestrahlungsdosis prüfte. Es kann ein Dosimeter gewesen sein. Genau weiß ich es nicht.

Im Gedächtnis blieb auch die hohe Sterblichkeit. Die Menschen sagten, dass es wegen des Flusses geschah. Die Strasse, in der ich aufwuchs, ist klein, sie verbindet zwei Straßen - Lenin- und Puschkinstrasse. Dort waren nur zwölf Häuser, d.h., dort wohnten zwölf Familien, etwa 70 Menschen. Zu meiner Lebzeit starben 31 Menschen verschiedenen Alters, von zwei Monaten angefangen und älter. Eine schreckliche Zahl für zwölf Familien. Keiner war älter als 70 Jahre, wobei, soviel ich weiß, 20 Menschen im Alter bis 50 Jahren waren. Daran erinnere ich mich bei den Wörtern "Fluss Tetscha". Für mich sind es schreckliche Wörter...

Meine Mutter, geborene HUSHINA, wurde in einer Familie geboren, in der man lange lebte. Ihr Vater Fazlyj, d.h. mein Großvater, ist mit 84 Jahren gestorben. Alle leiblichen Schwestern des Großvaters haben länger als 90 Jahre gelebt, eine ist mit 97 Jahren gestorben. Meine Großmutter Magafura ist 1911 geboren, sie lebt heute noch, kann schlecht gehen, aber liest den Koran ohne Brille. Das heißt, meine Mutter ist in eine physisch starke und gesunde Familie geboren. Aber während die Kinder aufwuchsen, wohnten sie direkt am Ufer von Tetscha, ja und später, als sie umgezogen waren, lebten sie ganz nahe an dem Fluss. 1949 war meine Mutter zwölf, sie erzählte oft, wie sie das Wasser aus dem Fluss zum Trinken und für andere Bedürfnisse brachte. Sie wusch Wäsche im Fluss und badete. Dort weidete die Kuh, man fütterte Gänse und Enten. Seit 1968 beerdigte meine alte Großmutter vier Kinder, den Großvater und einen Enkel, einen Schwiegersohn und zwei Schwiegertöchter. Viele von ihnen sind an Krankheit gestorben.

1. NURIAHMET starb mit 62 Jahren an Lungenkrebs. (Seine Frau starb 1989.)

2. SAN, obwohl er nicht hier wohnte, sondern in Usbekistan, in der Stadt Almalyk, starb mit 36 Jahren, ich erinnere mich nicht genau an die Diagnose. Aber es war etwas mit den Bronchien, man sagte damals: eine Komplikation nach der Grippe.

3. Meine Mutter SEMFIRA starb mit 62 unvollständigen Jahren. Ihre Bauchspeicheldrüse hat aufgehört zu arbeiten.

4. RIFKAT starb mit 51 Jahren an akuter Herzinsuffizienz.

Die Erkrankungen sind bei allen verschieden, es kann keine Rede von Erblichkeit sein, aber aus irgendeinem Grunde wird das Leben der Menschen in dieser Familie immer kürzer und kürzer. Auch die, die noch am Leben sind, kann man nicht gesund nennen. Ich selbst habe eine starke Anämie, wenig Erythrozyten im Blut. Mein Vater RAHMATULLIN SCHAIDULLA war das zweite Kind in der Familie. Sein ältester Bruder starb im Alter von 19 Jahren entweder 1949 oder 1950 (ich weiß nicht genau), wie der Vater erzählte, an irgendeiner Lungenkrankheit. Mein Vater starb 1999 im Alter von 68 Jahren an Lungenkrebs. Sein Bruder KIRAMATULLA starb mit 57 Jahren an einem Gehirnschlag. Mein Onkel lebte nicht mehr lange nach dem Tod seines 23-jährigen Sohnes, der an Niereninsuffizienz starb... Es ist mein Vetter MUCHTAR (1962-1985). Die übrigen sieben Kinder der Großmutter sind noch am Leben, aber ob für lange Zeit, weiß nur Gott allein.

Meine Großmutter SAGURA ist 1911 geboren und lebt bis jetzt. Sie begrub den Großvater (1905-1974), drei ihre Kinder und zwei Enkel. Die Großmutter lebt lange, warum sterben ihre Kinder und besonders die Enkel so früh...?

Meine Eltern haben 1955 geheiratet und sind in demselben Jahr (1999) gestorben. Meine Mutter SEMFIRA hat den Vater um vier Monate übererlebt. Der Vater ist am 27. Februar, die Mutter ist am 1. Juli gestorben. Ihr ganzes Leben waren sie krank. Alle Krankheiten kann man nicht aufzählen, d.h. sie waren immer an etwas erkrankt.

Der Vater hat 1996 einen Gehirnschlag erlitten, er ist anfangs zu sich gekommen, begann zu gehen, gut zu sprechen, aber die ganze Zeit war er krank. Man stellte die Diagnose: Lungenentzündung. Die Dokumente darüber, dass er eine Strahlenkrankheit hatte, sind nur in Februar 1999, etwa 20 Tage vor dem Tod gekommen, obwohl sie in Mai 1998 abgesandt waren. Er starb sehr qualvoll, die Narkotika reichten nicht, er hatte sich offenbar an sie gewöhnt. Er starb im Beisein seiner Kinder, seiner alten Mutter und der Frau...

Meine Mutter SEMFIRA war ihr ganzes Leben krank, aber niemals stellte man ihr eine ernste Diagnose, im Gegenteil: ein Jahr vor ihrem Tod hat sie Bescheid darüber bekommen, dass ihre Erkrankungen mit der Strahlung nicht verbunden sind. Die Hypertonie, Magenschleim-hautentzündung, Erkrankung der Gallenblase, der Nieren, der Lungen, - das ist das Verzeichnis der Erkrankungen der Mutter. Jedes Jahr, manchmal auch zweimal im Jahr, wurde die Mutter in der FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS behandelt, sie nahm ständig Medikamente, die gegen eine oder andere Krankheit verschrieben wurden. In Juni 1999 hat man sie ins Gebietskrankenhaus mit der Diagnose Lungenentzündung eingewiesen. Aber man hat bei ihr eine Peritonitis (die Entzündung der ganzen Bauchhöhle) festgestellt, man hat eine Operation gemacht, es zeigte sich, dass bei ihr die Bauchspeicheldrüse aufgehört hat zu arbeiten, weil ein starker Ausstoß der Galle aus der Gallenblase geschehen ist. Man entfernte ihr die Bauch-speicheldrüse, aber nichts hat geholfen, sie ist nach zehn Tagen im Alter von 61 Jahren, anderthalb Monate vor ihrem 62. Geburtstag, gestorben.

In 42 Jahren des gemeinsamen Lebens sind bei ihnen fünf Kinder geboren worden. Am Leben sind bis heute drei. Ich bin als Älteste am 14. Juli 1956 geboren. Ich habe eine chronische Pyelonephritis, eine vegetative Gefäßdystonie nach kardialem Typ, eine kleine Prolax des mitralen Ventils, die Zähne, manchmal gesunde, fallen aus, ständig entzündet sich das Zahnfleisch, ich habe Schwächeanfälle und ermüde schnell.

Der Zweite in der Familie war Farit, geboren 1958 und gestorben mit 34 Jahren (1992) an der akuten Herzinsuffizienz unterwegs zur Arbeit direkt auf der Straße. Er hatte eine Prolax des Mitralventils, dann entwickelte sich eine Stenose der Mündung der Aorta d.h., die Mündung der Aorta ist dicker geworden, und das Herz hat aufgehört, den Blutkreislauf zu regeln. Das Ergebnis: der Tod mit 34 Jahren. Bis jetzt kann ich mit diesem Verlust nicht fertig werden, der Schmerz bleibt im Herzen.

Der Dritte ist der Bruder RAFIT, 1959 geboren. Sehr oft war er in der Kindheit krank, auch jetzt ist er oft krank. Er hat hypertonische Krisen.

Die Vierte in der Familie war das Mädchen ELVIRA, das am 23. Februar 1961 geboren und am 9. Mai 1961 gestorben ist. Die Diagnose - ein angeborener Herzfehler.

1962 ist die Schwester WINERA geboren. Jetzt ist sie 38. Sie wurde nicht ernsthaft untersucht. Ständig hat sie Kopfschmerzen, Bronchitis.

Unter meinen Neffen, ich habe deren Acht, gibt es wohl keinen gesunden, sie sind auch für den Armeedienst nicht tauglich. Sie haben angeborene Anomalien (intracranialer Druck, schlechte Sehkraft, ein Hämatom auf dem Kopf seit der Geburt, ein Hämatom an den Genitalien).

Ich, Hajatowa Gulfira Schajdullowna (geborene Rahmatullina), habe HAJATOW RAFIT MAWLITOWITSCH, geboren 1957, geheiratet.

Seine Eltern sind an Krebs gestorben. Der Vater, HAJATOW MAWLIT HAJATOWITSCH - an Krebs der Bronchien. Die Mutter, HAJATOWA MUHTARAMA, ist an Krebs des Rektums gestorben, sie hatte Zuckerkrankheit, ihre Lungen waren nicht in Ordnung.

Mein Mann wurde mit seinen 42 Jahren viermal operiert, man bot ihm die fünfte Operation an, Aber wir haben sie abgelehnt.

1. - April 1991 - der Durchbruch des Magengeschwürs.
2. - Oktober 1991 - die Entfernung der säureproduzierenden Drüse des Magens.
3. - November 1997 - die Resektion des Magens und eines Teiles des Zwölffingerdarms. (Es fing eine Stenose an.)
4. - Mai 1999 - der Bruch der Wirbelsäule.

Und jetzt ist er die ganze Zeit krank, aber die Ärzte der FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS behaupten, dass seine Erkrankungen mit der Strahlung nicht verbunden sind. Außerdem hat man ihm noch in der Jugend eine Diagnose - die chronische Bronchitis - gestellt.

Wir haben drei Kinder. Der älteste Sohn Arthur ist 1976 geboren. Er ist mit einer angeborenen Anomalie der rechten Niere geboren: sie hat sich nicht vollkommen entwickelt und hat die Größe einer Walnuss, die linke Niere ist vergrößert. Noch stellt man ihm die Diagnose "Pyelonephritis". Bis jetzt hat er noch einen normalen Blutdruck. Aber wenn der Arteriendruck beginnt, sich zu ändern, wird eine Operation nötig sein. Ich fürchte sehr um sein Leben. Eine beliebige ernste Infektion, Vergiftung, ein starkes Medikament kann zu den fatalen Folgen führen.

Die Tochter Julia (geboren 1980) soll auch auf der Liste in der Kardiologie stehen. Bei ihr liegt das Herz nicht da, wo es bei allen Menschen liegt. Es ist geneigt. Bei Julia kann sich eine Ischämie des Herzens entwickeln, sagen die Ärzte. Außerdem sind bei ihr die Nierenbecken ausgedehnt.

Der jüngste Sohn Denis ist 1982 geboren. Eine klare Anomalie hat er soweit nicht, aber er hat ein schwaches Immunsystem, d.h. er ist sehr oft krank. Keine Epidemie geht an ihm vorbei.

Das sind eine solche Familie, eine Geschichte der Sippe, eine Geschichte der Geburt und des Todes, eine Geschichte der Krankheiten. Die Eltern, die einen qualvollen Tod an Krebs sterben, ihre Kinder, die kaum am Leben sind, ihre Enkel mit den Herzfehlern, atrophisierten Nieren... An ihre Erzählungen sind zahlreiche medizinische Zeugnisse, die Kopien der Totenscheine angeknüpft. Und in keinem von ihnen steht, dass der Grund der Krankheiten und des Todes die Strahlung war. Dort gibt es nirgends eine Diagnose der Bestrahlung, ihnen stehen keine Privilegien und Hilfen zu. Eine ganze Sippe erlischt vor den Augen, verfault bei lebendem Leibe, und die Ärzte geben immer noch die Schuld diesen unglücklichen Menschen, immer noch schützen sie die Atomwissenschaftler und verdecken ihre Verbrechen. Sie zögern mit der Diagnose bis zum Tode. Aber ein Verstorbener braucht weder die Arzneien, noch die Privilegien, noch die Übersiedlung... Das Schicksal siedelt sie langsam auf den Friedhof auf dem Dorfrand um...

Und was ist mit dem "Majak"? Wie geht es dem "Majak"? Warum sieht das Kombinat "Majak", die die Menschen auf solche Leiden und den qualvollen Tod verdammt, nicht, was es macht? Warum hilft es seinen Opfern nicht? Es steckt doch heute Milliarden ein, verkauft Isotope in 15 Länder der Welt, es nimmt zur Aufbewahrung nukleare Abfälle aus dem Ausland für sehr große Summen. Mit solchem Einkommen und Möglichkeiten wäre "Majak" im Stande, die Bewohner von Musljumowo auch auf den Mond umzusiedeln! Als Sühne für seine Sünden könnte das Kombinat seine Opfer in den besten Kliniken der Welt behandeln lassen. Nein, das "Majak" macht nichts dergleichen, es will nicht anerkennen, dass der Massenverfall der Menschen ein Ergebnis der Strahlung ist. Die gewissenlosen Ärzte und die korrupten hiesigen Funktionäre dienen weiter den Interessen von "Majak", wahrscheinlich, auch sie bekamen ein Stück von dem fetten Kuchen des Kombinats. Doch man kann sich an diesem Stück verschlucken - das alles kann einmal zu ihnen in der Gestalt der schwarzen Bestrahlung, der bösartigen Geschwülste und des vorzeitigen Todes zurückkehren... Die Tränen der unglücklichen Menschen werden sie einmal einholen... Ob die daran denken, die von dem menschlichen Leid profitieren?

Wenn auch sehr selten, sind die medizinischen Einrichtungen des Gebietes manchmal gezwungen, die Gründe des Todes von den Tataren mit der Strahlung zu verbinden. So ein seltener Fall ist mit der Geschichte der Familie Husnutdinow verbunden. An dem Beispiel dieser Familie ist die Tragödie des ganzen Musljumowo sichtbar. Und aufgrund dieser Diagnose kann man ohne jede Forschung alle Bewohner des Dorfes der Kategorie der Geschädigten von der Strahlung zuordnen.

Die Familie HUSNUTDINOW

Das Oberhaupt der Familie - HUSNUTDINOW GILMETDIN NURETDINOWITSCH (der Vater).

Seine Frau - HUSNUTDINOWA RASCHIDA ZAKIROVNA (die Mutter).

Ihre Kinder: Rosa (1952), Farit (1953), MARAT (1956), MIDHAT (1958), Mars (1960).

Die Familie wohnte auf der Station Musljumowo ab 1951 in der Zentralstraße, Haus 106.

Die Kinder haben die Schule N 96 in der Station Musljumowo absolviert.

Aus den Erinnerungen von WALEEWA R.:

"Ich bin in einer großen Arbeiterfamilie aufgewachsen. Der Vater und die Mutter haben fünf Kinder gehabt. In meinem Gedächtnis ist ein Bild geblieben. Ich erinnere mich nicht, wie alt ich war, sogar erinnere ich mich nicht, welche Jahreszeit es war. Aber ich weiß noch, dass alle Erwachsenen von unserer Eisenbahnstraße wegen der Neuheit aufgeregt waren: alle Fische im Fluss Tetscha waren aufgetaucht und lagen am Ufer. Die Männer brachten einige Fische nach Hause. Auch bei uns im Hof hingen drei Fische, sie waren riesig, Hechte oder Welse. Wir, Kinder, gingen näher an sie, berührten sie mit den Händen... Niemand aß diese Fische. Dann fuhren einige Jahre nacheinander im Sommer Autos mit dem roten Kreuz aus dem Bezirkskrankenhaus Musljumowo auf den Straßen herum. Die meisten Erwachsenen waren nicht zu Hause. Alle arbeiteten bei der Bahn, gingen zur Arbeit am frühen Morgen und kamen erst am Abend. Die Kinder waren auf die Fürsorge älterer in der Familie angewiesen, waren meistens sich selbst überlassen. Man setzte 5-6 Kinder ins Auto und fuhr sie fünf Kilometer von der Station fort, dort wog man uns, maß uns, man sagte uns, den Mund aufzumachen usw. Dann liefen wir zu Fuß nach Hause, und das Auto brachte schon eine neue Fuhre der Kinder. Aus irgendeinem Grund wurden nur Kinder und nicht die Erwachsenen untersucht. Übrigens waren Ärzte Russen, während im Bezirkskrankenhaus hauptsächlich Tataren und Baschkiren arbeiteten. Offenbar kamen diese Ärzte von woanders. Niemand erklärte uns oder unseren Eltern etwas.

Der Vater arbeitete bei der Bahn von 1951 bis 1988. Seine Dienstzeit war 37 Jahre, die der Mutter 26 Jahre. Um eine solche große Familie zu ernähren, musste man Vieh halten. Uns wurde kein Land zum Mähen zugewiesen. Heu mähte man in den Flussauen des Flusses Tetscha. Zuerst verbot man das, die Flussmiliz zündete sogar das Heu an, bestrafte die Dorfleute. Es waren hauptsächlich Arbeiter der Eisenbahn, die dort am Fluss Heu mähten. Wer in der Kolchose oder der Sowchose arbeitete, hatte das Land zum Mähen zugewiesen bekommen, und die Eisenbahner nicht. Da musste man eben an den verbotenen Orten heimlich mähen. Und nach 1985, als die Propaganda für den Bau des Süduralatomkraftwerkes angefangen hatte, erlaubte man allen, sich Futter an den Ufern des Flusses Tetscha zu beschaffen.

1969 ging ich zum Studium ins Kurgan Gebiet, dann arbeitete ich dort, heiratete, dort sind die Tochter Elmira und der Sohn Eldar geboren. Ich kehrte 1987 nach Hause zurück, wir siedelten uns am Fluss auf dem 101. Kilometer an, bei der Eisenbahnbrücke, wo auf dem Territorium eine der höchsten Konzentrationen an Radionukliden und somit die höchste Ansteckungsgefahr verzeichnet wurde. Die Anpassung des Organismus an die Strahlung dauerte anderthalb Jahre. (Wir waren dort und prüften - die Strahlung in diesem Ort ist auch jetzt 1500 Mikroröntgen/St, es ist tausend Mal höher als die Norm! - F.B.)

Zurückkehrend von der Arbeit nach Hause, fühlte ich wie mein Mann, Schwäche und Schwindel Auf dem halben Weg bei dem Eisenbahnhäuschen versagten uns die Beine, wir mussten uns hinsetzen, uns erholen, um später den Weg nach Hause fortzusetzen Bis zur Wohnung gelangt, fielen wir auf das Sofa. Es entstand das Angstgefühl, als ob man von der Höhe fällt und es einem den Atem verschlägt. Ich wendete mich an Ärzte nicht, aber mein Mann, WALEEW RAHIMJAN, fuhr zur Untersuchung in die Tscheljabinskkreisepoliklinik. Man sagte ihm, dass alles in Ordnung wäre. Die Tochter Elmira war damals 10 Jahre alt, der Sohn Eldar 9 Jahre. Nach einem Jahr wurde bei beiden eine Anämie festgestellt, obwohl sie gesund aus Kurgan Gebiet gekommen waren.

Nach einem Jahr, d.h. 1988, fiel bei unserem Sohn der Test auf die Reaktion MANTU (Tuberkulose - A.T.) positiv aus. Drei Jahre nacheinander ebenso. Dann lag er in dem antituberkulösen Krankenhaus in Tscheljabinsk, danach zwei Monate in einem Sanatorium in Miass. Einige Jahre stand er auf der Liste in der tuberkulösen Klinik. Jetzt hat er eine Magenschleimhautentzündung, Oberkieferhöhlenentzündung, er war an einer Hepatitis erkrankt. Der Organismus meiner Kinder ist geschwächt, die Immunität ist fast null.

UNSERE SIPPE UND UNSERE LEIDEN...

HUSNUTDINOW GILMETDIN NURETDINOWITSCH (der Vater).

Er ist am 15.01.1930 geboren. Der Geburtsort ist Musljumowo, Karl-Marx-Straße.

Ab 1995 beschwerte er sich über Schmerz in der Brust. Er lag in Tscheljabinsk in einer tuberkulösen Klinik, in der FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS, in dem zweiten und dem ersten Eisenbahnkrankenhäusern. Eine Besserung gab es nicht. In Februar 1997 stellte man bei ihm den Lungenkrebs fest. Am 15. Dezember 1997 ist er im Alter von 67 Jahren gestorben.

HUSNUTDINOWA RASCHIDA SAKIROWNA (die Mutter) ist am 15. Mai 1931 in Musljumowo geboren. Mehr als 30 Jahre stand sie auf der Liste bei den Ärzten. Die Diagnose: die Hypertonie des 2.Grades. Am 10.01.1999 hatte sie den ersten Gehirnschlag, am 10. 08.1999 den zweiten Gehirnschlag erlitten. Sie war zwei Wochen ohne Bewusstsein. Am 23. August 1999 ist sie im Alter von 68 Jahren gestorben.

HUSNUTDINOWA (WALEEWA) ROSA GILMETDINOWNA.

ist 1952 geboren. 1993 stellte man bei ihr ein Myom der Gebärmutter fest. 1994 wurde sie operiert. 1995 wurde eine Zyste in der Mundhöhle entdeckt. Es wurde eine Operation gemacht. Oft hat sie Kopfschmerzen, Erkältungen, ständige Schwäche und Untergewicht.

HUSNUTDINOW FARIT GILMETDINOWITSCH

Er ist 1953 geboren. Von der Jugend an leidet FARIT an der Magenschleimhautentzündung, nachdem er 40 geworden ist hat er ständige Erkältungskrankheiten. Außerdem hat er Osteochondrose. Sein Sohn Alfred (geboren 1978) hat Pyelonefritis, die Tochter Larissa (1980 geboren) - Gastroduanitis.

HUSNUTDINOW MARAT GILMETDINOWITSCH

ist am 10. Februar 1956 geboren. Er ist mit sechs Zehen an den Füßen geboren. Im Alter von fünf, sechs Jahren wurde er operiert. 1998 diagnostizierte man bei ihm den Hautkrebs. In Dezember 1998 wurde die erste Operation, in September 1999 die zweite Operation durchgeführt. In Februar 2000 ist er im Alter von 43 Jahren gestorben. Seine Töchter Alena und Albina haben Gastroduanitis und Anämie.

HUSNUTDINOW MIDHAT GILMETDINOWITSCH

ist 1958 geboren. Im Laufe von vier Jahren lebte er mit der Familie auf dem 101. Kilometer (am Fluss Tetscha). Einige Jahre litt er an der chronischen Pankreatitis und einer Reihe von Krankheiten, die die Ärzte nicht erklären konnten. Wenn er sich beim Arbeiten etwas anstrengt, bekommt er Fieber, auf dem Körper entstehen weiche schmerzende Schwellungen. Die vielfältigen Untersuchungen ergaben nichts. Auch seine Frau Ramilja, mit der er einige Jahre in der Station Musljumowo gelebt hat, steht auf der medizinischen Liste. Seine Tochter Olessja (16 Jahre) hat eine Magenschleimhautentzündung.

HUSNUTDINOW MARS GILMETDINOWITSCH

ist 1960 geboren. In den 90er Jahren ist er nach Saratow umgezogen, um dort zu leben. Es hat dort nur einen Monat gelebt. Es zeigte sich, dass sich sein Organismus nicht anpassen kann. Dort war das Territorium auch mit Radionukliden infiziert, aber sie waren einer anderen Art. Er musste auf Rat der Ärzte nach Hause, ins Tscheljabinsk Gebiet, zurückkehren. In der letzten Zeit schmerzen die Nieren, die Gelenke. Bei den Töchtern Maria und Lena ist das Immunsystem geschwächt.

Ishakowa (WALEEWA) ELMIRA RAHIMJANOWNA ist 1977 geboren. Ab 1987 wohnt sie auf der Station Musljumowo. Acht Jahre lebte sie am Ufer des Flusses Tetscha (in 100 Metern vom Fluss.) Vor einigen Jahren wurden bei ihr eine Anämie und Vergrößerung der Schilddrüse festgestellt, es haben Schmerzen in den Gelenken angefangen.

WALEEW ELDAR RAHIMJANOWITSCH geboren 1978. Er steht auf der Liste in der Tuberkuloseklinik, er hat Gastroduanitis, einen zu niedrigen Säuregehalt, Anämie. Die Immunität ist fast Null.

ISCHAKOWA DIANA RAISSOWNA (Die Tochter von ELMIRA) GEBOREN 1977. Die Diagnose: Anämie".

Es ist eine Geschichte vieler Generationen einer Sippe... Die vierte Generation, die an der Strahlung gelitten hat... Die Großmütter und die Großväter sind schon an Krebs gestorben. Die Eltern und die ganze Verwandtschaft kommen aus den Krankenhäusern nicht heraus, ihnen macht man eine Operation nach der anderen. Die Kinder und die Enkel stehen auf der speziellen Liste in den Krankenhäusern. Und Diana, Vertreterin der vierten Generation, hat mit sieben Jahren eine angeborene Anämie, Kraftlosigkeit. Offen gesagt, haben sie alle die Strahlenkrankheit von der Strahlung, wie der Gründer der Sippe Herr Gilmetdin. Alles, was hier beschrieben ist, ist typisch nicht nur für die Husnutdinows. In Musljumowo haben alle Familien eine und dieselbe Krankeitsgeschichte, aber die Ärzte diagnostizieren Tausend verschiedene Krankheiten, nur nicht die Verstrahlung und nicht den Krebs infolge der Strahlung. So versuchen sie, den wahren Grund der tödlichen Krankheiten zu vertuschen. Wie schon gesagt, kommt es manchmal vor, dass sie gezwungen werden, den wahren Grund des Todes der unglücklichen Bewohner des Dorfes anzuerkennen. Wir lenken Ihre Aufmerksamkeit auf ein solches historisches Attest. Es war für Gilmutdin Husnutdinow 20 Tage vor seinem Ableben infolge des Lungenkrebses ausgestellt, ist mit dem 28. November 1997 datiert. Die Bescheinigung ist nach dem Gutachten des Expertenrates des klinischen Gebietskrankenhauses der Stadt Tscheljabinsks gegeben:

Das Gutachten des Expertenrates

Der regionale zwischenbehördliche Expertenrat in der Sitzung N 13 vom 11.11.97 hat die vorgelegten medizinischen Dokumente über G.H.Husnutdinow untersucht. Geboren 1930, wohnhaft auf einem mit Radionukliden verschmutzten Territorium, über die Feststellung des kausalen Zusammenhangs der Erkrankung (des Todes) mit Strahlungs-und anderen ungünstigen Einwirkungsfaktoren als Ergebnis des Strahlungsunfalls (oder der Durchführung der Arbeiten) auf dem Kombinat "Majak.

DIE DIAGNOSE: der zentrale Krebs des oberen Teiles der linken Lunge.

Der Beschluss: Die Erkrankung (die Invalidität) ist mit der Strahlungseinwirkung während des Lebens auf dem, als Ergebnis des Strahlungsunfalls auf dem Kombinat "MAJAK mit den Radionukliden verseuchten, Territorium verbunden.

Der Vorsitzende des regionalen zwischenbehördlichen Expertenrates Tjukow Ju.A.

Wie schon gesagt wurde, könnte man eine solche Bescheinigung, d. h, ein Dokument darüber, dass dieser Mensch an der Strahlung infolge des Unfalles auf dem Kombinat "Majak" gelitten hatte, jedem Bewohner von Musljumowo sogar ohne Prüfung ausstellen. Auf solche Weise ist der Staat in manchen Fällen gezwungen, obwohl im Nachhinein, anzuerkennen, dass Tataren an der Strahlung sterben. Aber diese Anerkennung wird nur nach dem Tod gewährt, Lebende haben keine Chance sie zu bekommen. Es sieht so aus, als ob die Tataren gezwungen sind, ihr Recht durch den Tod zu beweisen... Besonders in Russland...

Das Dorf Musljumowo befindet sich im Hypozentrum der Strahlungsverseuchung, am Fluss Tetscha. Am alten Pumphaus ist das Niveau der Strahlung hunderte male höher als zulässig. Wir sahen es mit eigenen Augen: dort, wo das Niveau der Strahlung 1000, sogar 1800 Mikroröntgen/St erreicht, weidet das Vieh, die Jungen angeln in der Tetscha, die Menschen leben dort...Und wohin sollen sie gehen? Sie sind in solche Lage gebracht, dass es in Russland für sie keinen anderen Ort, kein anderes Wasser, keine andere Nahrung, kein anderes Leben gibt... In der hiesigen Selbstverwaltung von Musljumowo sahen wir Hunderte von Anträgen auf Übersiedlung. Unter ihnen sind sogar Familien aus zehn und mehr Mitgliedern. Was für eine große Tragödie - der Mensch schreibt einen Antrag, um für immer seinen Heimatort zu verlassen, er bittet und hofft, abzureisen... Doch haben jetzt viele einfach kein Geld, um die gefährliche Zone zu verlassen; viele leben von der Rente in der Höhe von 1100 Rubeln im Monat. Im Dorf gibt es keine Arbeit. Die Jugend ist gezwungen, jeden Tag zur Arbeit nach Tscheljabinsk für einen lächerlichen Lohn zu fahren. Infolge der Strahlungsverseuchung sind dort 431 Hektar des Ackerbodens des Dorfes Musljumowo, auch 336 Hektar Heuschläge, 95 Hektar der Weiden zur toten Zone geworden. Auf solche Weise sind die Bauern, die Jahrhunderte lang von der Erde lebten, ohne Boden, ohne Wasser geblieben, da dort die Strahlung im Laufe von 300 und vielleicht Tausend Jahren erhalten bleibt. Das Kombinat "Majak", die russische Regierung, die das Leben unserer Landsleute in eine wahre Hölle verwandelten, sind bereit, für jedes Pfennig der Privilegien und der Hilfen vor Gericht zu gehen, damit die Geschädigten sie nicht bekommen. Was für ein Mensch muss man sein, um sein Volk so zu hassen, dem Leid der unglücklichen Menschen so seelenlos zu begegnen?!

Natürlich leben in Musljumowo auch selbstlose tapfere Menschen, die in den Kampf gegen die Ungerechtigkeit, gegen den atomaren Genozid zogen. Eine von ihnen ist Gulfarida Galimowa, die Chefärztin des Bezirkskrankenhauses von Musljumowo. Sie ist in ihr Heimatdorf Musljumowo nach dem Abschluss der Medizinischen Hochschule in Tscheljabinsk zurückgekehrt. Ab 1981 arbeitete Gulfarida hier als Geburtshelferin und Gynäkologin, und 1986 wurde sie zur Chefärztin. Die ungewöhnlich hohe Sterblichkeit unter den Dorfgenossen hat sie erschüttert. Sie fängt an, diese schreckliche Erscheinung zu studieren. Doch wohin sie sich auch wendet, versucht man sie zu beruhigen, es soll nichts gefährliches sein, die Menschen sterben an allgemeinen Erkrankungen, alles ist angeblich in Ordnung. Wenn auch jemand erkrankt, so ist er selber schuld. Die junge Ärztin will dem nicht zustimmen, sie wendet sich an die Kollegen in Tscheljabinsk, Nowosibirsk, beginnt die Dorfbewohner speziell zu untersuchen. Inzwischen passierte so 1986 der Unfall von Tschernobyl. Die Information über die Strahlung, über die Verstrahlungen kommt auch nach Musljumowo. 1989 fordert Gulfarida Galimowa, die geheimen Berichte über die Krankheiten ihrer Patienten an und wendet sich an die FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS-4 in Tscheljabinsk. Aber die nötigen Berichte bekommt sie erst 1992. Und diese Berichte haben sich als ungeheuerlich erwiesen: bei 1216 Menschen, die zu verschiedenen Zeiten im Krankenhaus Musljumowo lagen, wurde die Strahlenkrankheit entdeckt.

Natürlich gefällt eine solche Aktivität der Landärztin den Sicherheitsdiensten nicht. Wegen der Kontakte mit den ausländischen Wissenschaftlern beschuldigte man sie der Lüftung des staatlichen Geheimnisses, ihr wurde gekündigt. Doch weicht die Frau, die ihr Volk hingebungsvoll liebt und mit ihm alle Schmerzen und Leiden teilt, vor den Schwierigkeiten nicht zurück. Sie wendet sich, alle Hürden überwindend, an die internationale Öffentlichkeit, erzählt ihr von der Tragödie von Musljumowo. 1992 gründen Gulfarida Galimowa und ihre Kampfgenossen die gesellschaftliche Organisation "Die Bewegung für die nukleare Sicherheit". Und schon vorher beginnt die Organisation "Kyschtym-57 zu handeln. Später werden mit ihrer Hilfe die umweltschutzrechtlichen Organisationen "Die weißen Mäuse" und "Die Atomgeiseln" im Dorf gegründet. 1989 nimmt Gulfarida Galimowa an der Arbeit des ersten Tschernobyl-Kongresses in Kiew teil. 1993 nimmt sie an der Arbeit des internationalen antinuklearen Kongresses in Alma-Ata teil. 1994 besucht Gulfarida Bryansk, Krasnojarsk, wo sie sich mit den Aktivisten der ökologischen Bewegungen trifft. Überall erzählt sie über die Tragödie von Musljumowo, warnt vor der Atomgefahr.

Neben der gesellschaftlichen Tätigkeit hört Gulfarida Galimowa auch mit der wissenschaftlich - praktischen Tätigkeit nicht auf. Zusammen mit der Genetikerin aus Nowosibirsk Nina Alexandrowna Solowjewa, beginnt sie, am Projekt "Das Syndrom von Musljumowo" zu arbeiten und bekommt dafür das Stipendium INSAR. Das Hauptziel dieser Forschungen besteht im Studium der genetischen Veränderungen im Blut der Kinder, die von den verstrahlten Eltern geboren wurden. Die Ergebnisse der Forschung an solchen Kindern haben die Wissenschaftler erschüttert – die genetischen Veränderungen wurden 3,5 Mal häufiger beobachtet! Bei 29 % der Untersuchten waren Veränderungen der Chromosomen unter der Einwirkung der Strahlung entdeckt. "Das Syndrom von Musljumowo" besteht darin, dass sich bei den Verstrahlten der genetische Status ändert, es entstehen erbliche Krankheiten. Bei ihnen werden auch chronische, d. h. angeborene Anomalien, Fehler und Abweichungen, beobachtet Diese Krankheiten werden durch Vererbung den Kindern und den Enkeln, der ganzer Sippe übergeben...

Aus der Erzählung der Landärztin Gulfarida Galimowa:

"Der amerikanische Radiobiologe und Genetiker John Hoffmann meint: bei dem Menschen, der im Mutterleib verstrahlt wurde, bleibt ein genetisches Zeichen bis zum Ende seiner Tage. Dieser Mensch hat das hohe Niveau der genetisch geänderten Zellen, und es führt zur Entwicklung der Herzgefäßekrankheiten, psychischer, neurologischer Erkrankungen.

In unserem Land wurde eine solche Abhängigkeit der Gesundheit von der Strahlungseinwirkung nicht anerkannt. Erst vor wenigen Monaten erschien ein Befehl, der alles richtig einordnete. Die medizinische Obrigkeit gab endlich zu, dass, z.B. die geistige Rückständigkeit, wie bei SASCHA MOROZOW, Milrozefalie (die Verkleinerung des Gehirnes) bei den Kindern möglich sind, bei denen die Periode der Entwicklung im Uterus auf die Zeit fällt, die ihre Mutter in der Zone der Strahlungseinwirkung lebte.

Ich werde beifügen, dass das Kind eine schwere Krankheit oft in jenen Familien bekommt, wo der Vater den Status des chronischen Strahlungskranken hat. So ist in der Familie des "chronisch Kranken" FAISULLA FAISULLIN aus dem Dorf Kurmanowo 1985 der Sohn RAMSIS geboren. Er beschwert sich über starke Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit. Als Ergebnis der Untersuchungen war die Diagnose Hydrocephalie gestellt, anders gesagt, den Platz des Gehirnes nimmt teilweise Wasser ein. Den Jungen brachte man zu den Spezialisten in Tscheljabinsk, sie waren ratlos: wir können nichts machen.

In Neu-Kurmanowo kann man auf der ländlichen Straße einem jungen Menschen im Rollstuhl begegnen. Es ist RAMIL GABDULLIN, geboren 1963. Sein Vater, NASIB GABDULLIN – ein chronischer Strahlungskranker. Die Mutter von Ramil ist gestorben, und für ihn sorgte seine Großmutter; auch sie ist jetzt verschieden. Jetzt sorgen für Ramil der kranke Vater und die Stiefmutter. In ein Heim kann man Ramil nicht einweisen, es gibt einfach keine Heime für die Betroffenen mit zerebraler Lähmung.

Ich habe einen solchen Kranken in Musljumowo. RAFIS FAHRUTDINOW, geboren 1985. Seine Mutti, Sadida, arbeitet als Köchin in einem Kindergarten, der Vater, Rafit ist Fahrer. Die Eltern sind fleißig, verdienen gut. Aber die Krankheit des Sohnes - die angeborene Anomalie, die zerebrale Kinderlähmung nimmt der Familie der Kraft weg. Jedes Jahr schickt man Rafis nach Tscheljabinsk, in das spezialisierte Sanatorium für die Zeit der Sommerferien (für anderthalb - zwei Monate). Für sein Wohl. Aber wie soll man dem Sohn in die Augen sehen, wenn er der zur Arbeit abreisenden Mutter vorwurfsvoll sagt: "Du lässt mich hier zum Sterben".

(Alexander Tichonow. Ein Dorf auf dem nuklearen Müllhaufen. Tscheljabinsk, 1995, S. 7.)

Doch, wie traurig es auch ist, will man das Krankenhaus von Gulfarida Galimowa, schließen. Für fünf tausend Krebskranke und die Menschen, die an der Strahlenkrankheit leiden, gibt es ein Bezirkskrankenhaus. Doch es sieht so aus, als ob der Staat es auch nicht brauche. Man hat das Krankenhaus schon ins Elend gestürzt, es ist in der Tat vergessen und aufgegeben. Wenn auch dieses Krankenhaus geschlossen wird, so haben diese Menschen nur eine Perspektive - direkt auf der Straße zu sterben... Man kann sagen, dass die russische Regierung und das Kombinat "Majak“ über den Menschen da solche verbrecherischen Experimente durchführen und ruhig ihren Verfall von der Seite beobachten...

Aber die Menschen wollen, natürlich, nicht in Versuchsmäuse verwandelt werden und wollen nicht die Welt folgsam verlassen. Sie setzen den beispiellosen Kampf für das Leben fort, verklagen das "Majak", schreiben an verschiedene Instanzen Klagen und Appelle, läuten Sturm in der ganzen Welt. Sogar der an Wasserkopf und einer Menge anderer Krankheiten leidende Ramsis Faizullin schrieb einen Brief zum Schutz der Dorfgenossen an den Präsidenten W. Putin und den Ministerpräsidenten Kasjanow. Doch die russischen Herrscher haben es nicht für nötig gehalten, dem sechzehnjährigen tatarischen Jugendlichen, der tatsächlich durch Verschulden des Staates verkrüppelt ist, zu antworten. Dann hat sich Ramsis über die ausländischen Journalisten mit seinem Brief an die internationale Öffentlichkeit gewandt. Das sind die Zeilen seines Briefes, die niemanden gleichgültig lassen können:

Herrn Putin, dem Präsidenten Russischer Föderation.

Herrn Kasjanow, dem Ministerpräsidenten Russischer Föderation.

Ich heiße Ramsis Faizullin. Ich bin als Invalid geboren. Jetzt bin ich sechzehn und, wie alle Kinder meines Alters, gehe ich in die Schule, aber mir geht es dort schlecht, weil die Kinder mich necken. Ich bin oft krank. Es kränkt mich, dass ich nicht so wie alle bin. Ich will den anderen ähnlich sein, ich will wie alle normalen Menschen aussehen. Ich will mich mit den Mädchen treffen, aber sie meiden mich und wollen sich nicht mit mir treffen. Ich will nicht Kinder haben, die mir ähnlich sind. Deshalb bin ich gegen die Einfuhr der radioaktiven Abfälle aus anderen Ländern. Warum bauen die Minister und alle anderen, die das Geld so brauchen, die Atomkraftwerke nicht im Moskauer Gebiet oder direkt in Moskau?

Wir haben so stark an der Strahlung gelitten, dass fast jede Woche in unserem Dorf jemand an Krebs stirbt. Warum können die Abgeordneten der Duma nicht gut nachdenken, bevor sie die Einfuhr der nuklearen Abfälle in das Land erlauben? Bitte, denken Sie über unsere Zukunft nach!

(“Es ist kein Leben! Das Leben, das mit den radioaktiven Abfällen vergiftet ist." "Greenpeace" , 2002, S. 10-11).

Und Ramsis Faizullin hat sich über das Radio an die ausländischen Parlamente mit der Bitte gewendet, die radioaktiven Abfälle für das Deponieren in Russland nicht zu schicken. Von den russischen Parlamentariern abgesegnet, fing man an, die nuklearen Abfälle aus dem Ausland in das Land zu bringen. Diese nuklearen Abfälle werden für die Überarbeitung und Aufbewahrung geliefert... Direkt in das "Majak", weil es in Russland für solche Menge der Abfälle keinen anderen Ort gibt. Nach Russland, d.h. ins "Majak", hat man vor, 20 Tausend Tonnen der nuklearen Abfälle aus Deutschland, der Schweiz, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, Spanien, Japan, Taiwan, China, Südkorea, Iran und anderen Ländern zu importieren. Russland soll dafür 20 Milliarden Dollar bekommen. Einen Teil dieses Geldes erwartet man mit großer Ungeduld auf dem "Majak", da man mit seiner Hilfe den bankrotten nuklearen Müllhaufen und die zerstörten Bauten wiederherstellen will. Natürlich, der große Teil "nuklearer Dollars" bleibt in Moskau kleben, in den Taschen der Atomwissenschaftler, der Politiker und der Neureichen. .. Und den zum Leben auf dem nuklearen Müllhaufen verdammten Bewohnern von Musljumowo, dem hoffnungslos kranken Ramsis werden nur höllische Qualen und Leiden zuteil!

Deshalb wollen wir uns auch, wie Ramsis, an die internationalen Parlamente, Politiker und Akademiker wenden:

BITTE, SENDET NICHT EURE NUKLEAREN ABFÄLLE NACH RUSSLAND!!! IN RUSSLAND GIBT ES KEINE BEDINGUNGEN FÜR IHRE AUFBEWAHRUNG, DESHALB WERDEN AN IHNEN NUR DIE MENSCHEN, DIE HIER LEBEN, LEIDEN! WENN AUF DEM "MAJAK" NOCH EINE EXPLOSION GESCHIEHT, DANN VERSCHWINDEN NICHT NUR DIE HIESIGEN BEWOHNER, SONDERN AUCH SIE! WEIL DIE MENGE DER NUKLEAREN ABFÄLLE AUF DEM "MAJAK" SCHON IN MILLIARDEN VON CURIE BERECHNET WIRD. UND WENN AUCH SIE IHRE ABFÄLLE HIER ABLADEN, SO WIRD DIE ERDE SOLCHE MENGE AN GIFT NICHT ERTRAGEN! MAN DARF NICHT SOVIEL NUKLEARE STOFFE AN EINEM ORT KONZENTRIEREN, ES KANN ZUM VERFALL DES PLANETEN ERDE UND DER GANZEN MENSCHHEIT FÜHREN! GANZ IM GEGENTEIL: MAN MUSS SICH ÜBERLEGEN, WIE MAN GANZ DRINGEND DAS "MAJAK" SCHLIEßEN, UND DIE ÜBERSCHÜSSE DER NUKLEAREN ABFÄLLE IN EINEN ANDEREN ORT ÜBERFÜHREN KANN, MAN DAR ES NICHT VERSCHIEBEN, SPÄTER KANN ES ZU SPÄT SEIN...

Ich will auch über zwei KÄMPFER gegen die Ungerechtigkeit, die in Musljumowo geboren wurden, erzählen. Es sind Eheleute Gosman und Milja (Ramilja) Kabirow, die vom Atom gezeichnet sind. Jetzt leben sie in Tscheljabinsk. Gosman Kabirow leitet die ökologische Organisation "Tetscha". Er hat in Musljumowo eine Moschee gebaut und sie nach seinem Vater genannt. Seine Frau Ramilja leitet die öffentliche Vereinigung "Aigul". Mit ihrer Hilfe haben nicht wenige ausländische Wissenschaftler und Politiker Musljumowo besucht. Sie waren einige Zeit in vielen Ländern, haben dort über die Tragödie von Musljumowo erzählt, benachrichtigten die international Öffentlichkeit über die atomare Bedrohung. Unzählig sind die Taten der Eheleute Kabirows auf diesem Arbeitsgebiet. Die Nation lebt von solchen Asketen, den selbstlosen Menschen. Sogar am Rand des Abgrunds verlieren sie die Hoffnung nicht und kämpfen für das Leben. Und jetzt leihe ich ihnen das Wort.

Aus der Erzählung von Ramilja Kabirowa:

"Musljumowo ist das erste Dorf, das tatsächlich auf dem nuklearen Müllhaufen liegt, an der Grenze der menschenleeren gefährlichen Zone am Fluss Tetscha. Ich bin dort geboren. Die Mutti und wir, alle ihre Kinder, haben mit der eigenen Gesundheit für die Fehler und die Willkür der nuklearen Funktionäre bezahlt. Es ist durchaus möglich, dass diese Willkür nicht aus irgendeinem Fehler geschah. Aller Wahrscheinlichkeit nach dachten sie ganz und gar nicht, dass die Sorge um das Leben, das Schicksal und die Gesundheit der Menschen ihre Pflicht wäre. Die Geschichte unserer Familie ist keineswegs ein Zufall, sie ist ein vollkommen gewöhnliches Beispiel hiesiger Schicksale.

Seit 1948 haben die nuklearen Abfälle begonnen, in die Tetscha durchzusickern. Schon 1950 verbot man, im Fluss zu baden, daraus Wasser zu schöpfen. Den Zugang zum Fluss versperrte man, an den Ufern wurden Milizen aufgestellt. Einer von ihnen war unser Vater.

Nach zwei Jahren wurde ihm die Diagnose "Strahlenkrankheit erster Stufe" gestellt und nach sieben Jahren ist er aus dem Leben gegangen. In dieser Zeit war ich, die jüngste von den Kindern, drei Jahre alt. Auf solche Weise blieben in der Obhut der kranken Mutti sieben Kinder. Uns musste man kleiden, ernähren, deshalb hat man der Mutti eine auf den ersten Blick leichte Arbeit angeboten: die Qualität des Wassers in der Tetscha zu kontrollieren. Also halfen wir, natürlich, der Mutti. Niemand erklärte uns, wie gefährlich es war. Und die Muster der Wasserproben wurden unter den Kinderbettchen aufbewahrt. Daraufhin haben fünf von uns die Strahlenkrankheit, und zwei ältere Brüder sind an Krebs gestorben. Ungeachtet dessen hat unsere Familie keine Hilfe vom Staat bekommen...

Die Menschen fingen an, viel zu oft krank zu werden, weil das ganze Leben der Bewohner von Musljumowo mit dem Fluss, dessen Wasser mit den Radionukliden überfüllt war, verbunden war. Doch die sowjetische Medizin wollte nicht bestätigen, dass die Krankheiten der Dorfleute mit der erhöhten Strahlung um das geheime Unternehmen "Majak" verbunden waren. Dutzende der Menschen sind an den bösartigen Geschwülsten gestorben, und in den medizinischen Dokumenten schrieb man "Eine allgemeine Erkrankung". Es ist nicht bekannt, wie lange man die Katastrophe auf dem Kombinat "Majak" von den einfachen Menschen verbergen würde. Doch es kam 1986 zu der Tragödie von Tschernobyl. Diese Katastrophe hat dem Erwachen des öffentlichen Bewusstseins einen Stoß gegeben, verschiedene öffentliche Vereinigungen wurden gegründet. Die Medien haben begonnen, offen über den Einfluss der Strahlung auf die Entstehung der Strahlungskrankheit zu schreiben. Es sind Artikel über die Tragödie von Musljumowo in der Moskauer und der ausländischen Presse erschienen

Doch trifft man auch jetzt auf die Demagogie: die Strahlung soll angeblich der Gesundheit der hiesigen Bevölkerung nicht besonders geschadet haben. Aber man kann die Wahrheit in der Erde nicht vergraben. Die Chefärztin des hiesigen Krankenhauses Gulfarida Galimowa hat damals erreicht, dass ihre Kranke von einem unabhängigen diagnostischen Zentrum untersucht wurden. Durch diese Untersuchungen wurden auch neue Kranke entdeckt.

Wir konnten die Wahrheit nur mit Hilfe der breiten Öffentlichkeit beweisen. 1992 ist "Die Bewegung für die nukleare Sicherheit" entstanden. Sie begann mit den Genetikern aus Nowosibirsk zusammenzuarbeiten. Es wurde eine genetische Analyse des Blutes bei den Kindern durchgeführt, deren Eltern an der Strahlenkrankheit erkrankt waren. Die Ergebnisse waren erschreckend: jedes vierte Kind war behindert, als Ergebnis der Veränderung der Chromosomen geboren!

Mein Mann hat als Mitglied des Rates "Der Bewegung für die nukleare Sicherheit" vorgeschlagen, das Kombinat "Majak" zu verklagen. Zuerst hat die Mutter nur abgewinkt, die könne man ja niemals besiegen. Und später hat sie zugestimmt. Wir kämpften vier Jahre lang für die Wahrheit. Alle Mitglieder unserer Familie untersuchte man im speziellen Institut, das sich mit den Problemen der Strahlung beschäftigt. Da dieses Institut in seiner Tätigkeit mit dem Kombinat "Majak" eng verbunden war, bemühten sich seine Spezialisten sehr, unsere zahlreichen Erkrankungen mit der radioaktiven Bestrahlung nicht zu verbinden.

Die Gänge zu den medizinischen und gerichtlichen Ämtern öffneten unsere Augen. Es zeigte sich, dass der Staat die Verantwortung für unsere verpfuschte Gesundheit nicht übernehmen will. Wir haben verstanden, dass wir nur zusammen unsere Interessen verteidigen können. Und wir, die Opfer der staatlichen Willkür, haben beschlossen, uns zu vereinigen. Zu uns kamen die Menschen, um einen Rat zu holen. Unter ihnen waren nicht wenige Frauen mit Kindern. Diese Kinder sind schon die dritte Generation, die durch die die Tätigkeit des "Majak“ geschädigt wurde. So wurde die öffentliche Vereinigung "Aigul" geboren. Ich bin Leiterin dieser Organisation. Wir vereinigen Frauen, deren Kinder infolge der radioaktiven Bestrahlung erkrankt sind. "Aigul" bedeutet "die Mondblume". Warum haben wir unsere Organisation so genannt? Erstens ist das ein schöner Frauenname. Und zweitens haben wir diesen Namen wegen seiner beunruhigenden Bedeutung gewählt. Diese Blume wächst nicht, wie alle anderen, unter den Strahlen der Sonne. Die Mondblume öffnet sich nur in der Nacht, wie ein nukleares Gespenst...

Wir haben entschieden, genetische Untersuchungen der Familien, die an der Bestrahlung gelitten haben, fortzusetzen. Mit Hilfe der Stiftung von Ford haben wir einen Vertrag mit dem Institut der allgemeinen Genetik von der Russischen Akademie der Wissenschaften namens Wawilow abgeschlossen. Die Ergebnisse der Forschungen haben sogar Wissenschaftler verblüfft: bei den Kindern, die 1997 geboren wurden, entdeckte man Veränderungen im Blut infolge der Bestrahlung. DESHALB KANN MAN NUR EINE SCHLUSSFOLGERUNG ZIEHEN - SOGAR NACH 50 JAHREN WERDEN MENSCHEN WEITERHIN VERSTRAHLT!

Die russische Regierung hat vor kurzem einen Beschluss über die Einfuhr der nuklearen Abfälle aus dem Ausland ins Land für die Deponie gefasst. In diesem Zusammenhang wäre es an der Zeit, die Folgen der Unfälle im Kombinat "Majak" von neuem zu prüfen. Man wollte wissen, wer von der zusätzlichen Bedrohung für die Gesundheit der Bevölkerung profitieren wird?

Wie bekannt, wohnen im Tscheljabinsk Gebiet ca. 3,2 Millionen Menschen. Von ihnen spüren ca. anderthalb Millionen in einer oder anderen Weise die Einwirkung der Strahlung infolge der Verschmutzung der Umwelt oder des Verzehrs der Nahrung, die Radionukliden enthält. Auf solche Weise ist die Bevölkerung gezwungen, unter den für die Gesundheit außerordentlich gefährlichen Bedingungen zu leben. Von Tag zu Tag wächst die Zahl der arbeitsunfähigen Menschen, der Krüppel und der Invaliden. Das Sterben der Jugendlichen ist auf Tagesordnung. Die medizinischen Forschungen zeigen das Wachstum der Krebserkrankungen, der Unfruchtbarkeit, der angeborenen Fehler bei den Kindern...

Die Kinder sind gegen die Strahlung besonders empfindlich. Sogar ein kleiner Anteil der Strahlung kann das Wachstum des Knochenbaus aufhalten oder ihn ganz einstellen. Und was die Abweichungen von der Norm in der Entwicklung des Skelettes des Kindes betrifft: bei 70 % der untersuchten Vorschulkinder und der jüngeren Schüler wurde eine Dysfunktion des Kopfgehirns, und folglich psychische Abweichungen beobachtet. Das ist ein Riesenunglück für ihre Familien und die junge Generation.

Es ist eine Katastrophe einer ganzen Population. Davor warnen auch die Genetiker. 45 Jahre nach der radioaktiven Verschmutzung des Flusses Tetscha zeigen die Untersuchungen der Bewohner Veränderungen im Organismus auf der Zellenebene. Das zeugt davon, dass sie eine große Dosis der Strahlung bekommen haben und dass infolge des Gelangens der Radionuklide in den Organismus die innere Verstrahlung voranschreitet. Das Traurigste ist aber, dass die Kinder genetisch mehr an der Strahlung gelitten haben, als ihre Eltern.

Wenn der zweite Weltkrieg den Genozid bewirkt hat, so hat der kalte Krieg den Ökozid, die Zerstörung der Umwelt herbeigerufen. "WIR, OPFER DES ATOMWETTRÜSTENS, WOLLEN, DASS DIE GANZE WELT VON UNS WEIß, WIR WARTEN AUF IHRE HILFE".

Ja, Nurmuhammet Schagiahmetow, der Vater von Ramilja Kabirowa, war als einer der ersten in Musljumowo zur Verstrahlung verurteilt und ist 1962 an Blutkrebs gestorben. Doch die Ärzte haben ihn über den Krebs und die Verstrahlung kurz vor dem Tod informiert, obwohl den Ärzten der FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS die Diagnose schon 1952 bekannt war... Darüber erzählte mir Ramilja bei dem Besuch in Tscheljabinsk des speziellen Instituts, der FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS, in welchem die Einwirkung der Strahlung erforscht wird. Sie zeigte mir auch das Krankenzimmer N 13, wo ihr Vater gestorben war. Was für ein schreckliches Schicksal - ausgerechnet in diesem Krankenzimmer N 13 ist auch die Mutter von Ramilja 1998 gestorben... Nach den Worten von Ramilja, werden in der Filiale des Biophysischen Instituts neue Medikamente an den Kranken getestet, ihre Mutti ist an einem Herzstillstand nach der Verabreichung eines neuen Medikaments gestorben... In diesem Krankenhaus wurden auch Ramilja und ihr Mann untersucht, aber sie weigerten sich kategorisch, in dem Krankenzimmer N 13 untergebracht zu werden...

Dieses Heilinstitut hat eine Menge Geheimnisse, es wird erzählt, dass man hier irgendwelche gefährliche und heimliche Experimente an den Menschen durchführt. Hier erforscht man die Einwirkung der Strahlung an den Menschen. Den hiesigen Kranken werden nirgends erprobte sehr starke Medikamente gegeben. Wenn sie überleben, bedeutet es, dass man diese Medikamente auch anderen geben kann. Wenn sie sterben, kann man auf die Krankheit, auf die Strahlung verweisen... Die Bewohner der tatarischen Dörfer, die an der Strahlung gelitten haben, liegen in diesem Krankenhaus. Ihren Worten nach, werden die hier Verstorbenen obduziert und ihnen werden alle inneren Organe herausgenommen. "Auf die Dorffriedhöfe kehren leichter gewordene Körper zurück", - sagten uns die Bewohner von Musljumowo und der Tatarischen Karabolka. Bei unserem Besuch im Krankenhaus lagen dort viele Bewohner der tatarischen Dörfer. Wir schenkten ihnen nationale und religiöse Bücher, bescheidene Geschenke. Viele Kranke baten, ihnen aus dem Koran zu lesen... Wer weiß, vielleicht hörten sie den Koran das letzte Mal...

Und in den benachbarten Krankenzimmern starben leise junge Frauen... Vom Atom gebrandmarkte Tataren und Baschkiren... Russen, die ihren schrecklichen Tod im Ural gefunden haben... Sie alle sind Opfer eines nicht erklärten nuklearen Krieges Russlands gegen sein Volk...

Sie ist so schön, so jung, so klug,
Sie träumt von einem Raumflug.
Sie will vom Leben noch so viel,
Und alle Hürden nehmen will.
Aber die Ärzte sagen ihr,
Dass sie die Träume lassen soll.
Dass ein Museum und Archiv
Für sie nun sei das Beste wohl.
Vergessen sollst du alles grad,
Wir geben dir nur einen Rat:
Dein Körper mit den 17 Jahr'
Ist schon so schwach als ob er war
Gegangen viele Tausend Werst.
- Wieso?! Warum?! Es kann nicht sein!

Ich bin geworden siebzehn erst!
Mein Leben fängt jetzt grade an,
Ich will die Himmelssterne sehn,
Es gibt gar nichts, was ich nicht kann!
Das Mädchen tut den Ärzten leid,
Und keiner fühlt sich da bereit
Zu sagen, dass es aus ist
Mit Träumen; dass ein Feind zerfrisst
Den Mädchenkörper – das Atom.
Dass keiner sie mehr heilen kann,
Dass sie den Flug vergessen soll.
Sie ist sehr krank und nicht allein -
So viele Mädchen im Ural
Ein Zeichen tragen wie ein Mal.

Hoch ist der Berg und tief der Fluss,
Das Mädchenalter ist hier kurz.
Sie darf nicht fliegen und noch mehr,
Wenn Bräutigam von hier auch wär,
dann dürfte sie mit ihm nicht sein.
Sonst kommt der Fluch erneut zu ihr
Nach vielen Jahren kehrt zurück.
Was soll ich tun? Wie soll ich sein?
Wo finde ich mein Lebensglück?
Vor allem solltest du verstehn:
Nicht schweigen! In die Zukunft sehn!

Wera Oshogina


Aus der Erzählung von Gosman Kabirow:

"Sie alle wissen, dass im Kombinat "Majak" nicht alles in Ordnung ist, was die Strahlung betrifft, aber nicht alle wissen, dass dort ein Übungsplatz existiert, wo Experimente an den Menschen durchgeführt werden. Ich meine die Bewohner der Dörfer, die in den Flussauen des Flusses Tetscha gelassen wurden. Es sind die Dörfer Musljumowo, Brodokalmak und die Untere Petropawlowka.

Um nicht oberflächlich zu sein, werde ich meine Argumente anführen. Erstens, als im Dorf Metlino, das ist das erste Dorf nach dem Kombinat "Majak" flussabwärts, mehr als 70 % der Bevölkerung an der Leukämie erkrankten, fing man an, das Dorf umzusiedeln. Die Explosion 1957 beschleunigte diesen Prozess. Vier oben genannte Dörfer ließ man da. Sehr seltsam ist, dass die Entfernung zwischen den Dörfern im Durchschnitt etwa 30 Kilometer beträgt. Die Argumente, dass die Dörfer viel zu groß waren, überzeugen nicht, es wurden auch größere Dörfer umgesiedelt.

Die FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS-4 hat sofort alle Bewohner registriert und fing an, die "Patienten" zu den Untersuchungen periodisch zu bestellen. Früher lud man sie nach Moskau, jetzt nach Tscheljabinsk ein. Die älteren Menschen erzählen, dass früher in der Nachbarschaft im Institut Versuchshunde und Mäuse gehalten wurden. Nachts gaben die Hunde durch ihr Gebell keine Ruhe.

In der FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS-4, entnahm man den Versuchspatienten ohne ihr Einverständnis das Knochenmark. Man untersuchte sie in einem speziellen Gerät, der so genannten "Tonne" (ein Gerät vom Typ "Die Karawane"). Die Ergebnisse teilte man nicht mit. In den persönlichen Akten sind alle Verwandten mit ihren Adressen aufgelistet. Die persönlichen Akten haben eine Beilage, der Patient geht zu den Ärzten mit der Karte, wo die Aufzeichnungen kodiert sind. Wenn der Patient an Krebs oder an Leukämie starb, so wurde den Verwandten eine Bescheinigung mit der Diagnose "Eine allgemeine Erkrankung des Organismus" ausgestellt.

Normale Kranke konnten in die Filiale nicht gelangen, da die Patienten mit den speziellen Postkarten herbeigerufen wurden, egal in welchem Punkt der UdSSR sie sich in jener Zeit aufhielten. Es beweist, dass die FILIALE DES BIOPHYSISCHEN INSTITUTS-4 von Anfang an ein statistisches und wissenschaftliches Forschungsinstitut und kein Krankenhaus war.

Nachdem die Menschen die Wahrheit über die Strahlungslage in den Dörfern und dass die Ufer des Flusses feste radioaktive Abfälle darstellen erfahren haben, begannen sie, die Heimatorte zu verlassen. Das einzigartige Versuchsmaterial begann zu flüchten. Den größeren Teil der Bevölkerung gelang es auf eine ungewöhnliche Weise festzuhalten. Die Behörden erließen mit der Hilfe der Mitarbeiter des Atomministeriums ein Gesetz über die Rehabilitation der betroffenen Bevölkerung. Laut diesem Gesetz erhalten die Betroffenen Privilegien, welche Ihnen sofort entzogen werden, falls sie das verseuchte Gebiet verlassen. So hat man die Versuchskaninchen durch ihre finanzielle Abhängigkeit an den infizierten Ort gekettet...

Ich will dieses Geheimnis lüften. In den Flussauen des Flusses Tetscha wird ein riesiges Experiment durchgeführt, das ermöglicht, zu klären, was aus der Bevölkerung unter den Bedingungen der chronischen Verstrahlung wird. Da fürchte ich nur, dass wir schon eine Bedrohung für die Erbmasse des Landes darstellen, weil die aus der Zone Weggezogenen nach wie vor Mutanten gebären und es keine Hoffnung auf die Anpassung an die Strahlung gibt. Alle, der sterben sollten, sind gestorben, und die Lebenden tragen in sich ein radioaktives Zeichen als Dyzentriks im Blut. Und wenn man mit Hilfe der genetischen Analyse direkte Nachkommen des Chingiz-Khan oder Tut-En-Chamuns finden kann, so kann man jetzt nicht bei allen Bewohnern von Musljumowo die Vaterschaft feststellen. (So stark sind die Gene verändert! –A.T) Die internationale Öffentlichkeit soll die Situation in den Flussauen des Flusses Tetscha unter ihre Kontrolle bringen, andernfalls können Dinge passieren, die sogar Hichkock in seinen Thrillern nicht erfinden konnte.

(Der Vortrag von Kabirow aus Musljumowo auf der 2. Allunionsantinuklearen Konferenz, die 1996 in Kazan stattfand.)

Ja, der Menschenrechtler und Ökologe Gosman Kabirow kam zu der Schlussfolgerung darüber, dass die Bewohner des Dorfes Musljumowo in der Strahlungszone speziell für die Durchführung der Versuche gelassen wurden. Wäre der gute Wille der Regierung Russlands da, so könnte man die Bewohner des Dorfes seit langem in einen anderen Wohnort umsiedeln. Aber sie werden nicht umgesiedelt, sie werden speziell beobachtet, man erforscht die Veränderungen im Organismus durch die Einwirkung der Strahlung. Sie sind für die russischen Wissenschaftler und Spezialisten ein wertvolles Material und die Quelle, die in sich die ganze schreckliche Atom-tragödie trug. Sie antworten auf viele Fragen, die von den Atomwissenschaftlern und anderen Wissenschaftlern gestellt werden - wie ändert sich der Organismus des Menschen, der ständig eine Strahlungsdosis bekommt, wie man genetisch den Code des Menschen von der Strahlung ändern oder zerstören kann und wie man diese ausgefeilten Kenntnisse gegen seine Feinde und Gegner verwenden kann. Hier geht es nicht nur um die einzelnen Familien, die Dörfer und die Völker, es geht um das Schicksal anderer Länder und der Zivilisation... Und Tataren von Musljumowo helfen sogar ohne es selbst zu verstehen, dem russischen Imperium die Antwort auf oben gestellte Fragen zu finden, indem sie Hauptversuchskaninchen der Atomwissenschaftler sind.

Es gibt auch eine andere Seite der Medaille. Nach den Worten des Ökologen und Menschenrechtlers Gosman Kabirow, sind diese verstrahlten Tataren jetzt eine Quelle der Strahlung. Das heißt, sie strahlen jetzt die Strahlung aus, weil Radionuklide in ihren Knochen nicht nur den Menschen von innen zerstören, sondern auch die Strahlung auf die Umwelt verbreiten. Offenbar will man sie deshalb nicht in die weite Welt umsiedeln, und bemüht sich, sie an den vorigen Wohnorten zu lassen. Doch es geht hier nicht nur um das Dorf Musljumowo. Im Tscheljabinsk Gebiet sind ja über 1,5 Millionen Menschen, die verstrahlt wurden. Sie können früher oder später Quellen der Ansteckung für andere Menschen werden. Es zeugt davon, dass sich in Russland ganze Gebiete in tote Zonen verwandeln können. Der unsichtbare Tod dringt als Strahlung, von der Erde herauskommend, in die Menschen ein, und sie verwandeln sich ohne darüber zu wissen in die Quellen der Verstrahlung und des Todes für andere. Eine schreckliche Wahrheit, eine schreckliche Zukunft...

Das alles begriffen als erste die Bewohner des Dorfes Musljumowo und begannen einen schonungslosen Kampf nicht nur für sich, sondern auch für das Leben auf der Erde. Diese selbstlosen Menschen, ohne Furcht und von Angesicht zu Angesicht mit der Atombürokratie, deckten deren schmutzige Taten vor der ganzen internationalen Öffentlichkeit auf. An diesem Kampf für ihre Menschenrechte nehmen alle Bewohner des Dorfes Musljumowo, Tataren, und Russen teil. Unter ihnen GALINA KONSTANTINOWNA PASCHNINA, die ich in März 1996 während der 2. Allunionsantinuklearen Konferenz in der Stadt Kazan kennen lernte. Sie hat schon zu jener Zeit solchen Zustand "einen nicht erklärten nuklearen Krieg gegen das eigene Volk" genannt. Ich will die Worte anführen, die diese ergraute Lehrerin im Ruhestand mit Schmerz in der Seele sagte:

"Ich bin aus Musljumowo gekommen, das an dem Ufer des schönsten Uralflusses Tetscha liegt. Dieser Fluss wurde der ganzer Welt bekannt durch die radioaktive Verseuchung der Bevölkerung, die an seinen Ufern lebt. Ab 1957 fand und findet bis jetzt zweimal in der Woche die Ableitung der radioaktiven Abfälle in den Fluss Tetscha statt, wodurch mehr als 40 Jahre Verschmutzung des Flusssystems des Ob-Bassins geschieht und auf dem Territorium der Tscheljabinsk-, Kurgan- und Swerdlowskgebiete die Ostural-radioaktive Spur entstand.

Der erhöhten Strahlungseinwirkung wurden etwa 500 Tausend Menschen ausgesetzt. Als Ergebnis der stichprobenartigen Untersuchungen nur unseres besiedelten Punktes, wo sechs Tausend Menschen wohnen, haben sich 935 Menschen als verstrahlt erwiesen.

40 Jahre lang wussten wir nicht, dass in der friedlichen Zeit ein nicht erklärter nuklearer Krieg Tausende unserer Menschen fraß und frisst, die an den Ufern von Tetscha leben, dass den Ärzten der Hinweis gegeben ist, nicht zu erzählen, welche Situation auf diesem Territorium entstanden ist. Jedes Jahr badeten die Bewohner unseres besiedelten Punktes Musljumowo in der Tetscha, lagen dort in der Sonne, wo 200 bis 600 Mikroröntgen konzentriert sind, benutzten das Wasser, wuschen die Wäsche, angelten und aßen den Fisch, mähten das Gras auf den Flussauen des Flusses. Das Vieh weidet bis jetzt an seinen Ufern und trinkt das Wasser aus der Tetscha, und wir, die Bewohner der Ufer, trinken die Milch, und die Ergebnisse lassen auf sich nicht warten: Die Menschen starben und sterben an Lungenkrebs, Darmtraktkrebs, Leukämien. Die Kinder haben oft Nasenblutungen, in der Schule sind sie sehr matt und sie halten 45 Minuten nur mit Mühe aus.

Die Geburtenrate wurde bei uns heftig verringert, und die Sterblichkeit übertrifft die Geburtenzahl. Sehr viele Männer, die in der Tetscha badeten, angelten und den Fisch aßen, werden niemals mehr Väter, und die Frauen werden das große Glück der Mutterschaft nicht kennen lernen. Die jungen Frauen tragen ihre Schwangerschaft bis zu neun Monaten oft nicht aus und die von ihnen geborenen Kinder haben sehr niedriges Hämoglobin, das später in die Leukämie übergeht.

Die Ergebnisse der Forschungen, die die Wissenschaftler vieler Länder der Welt durchführen, überraschen alle. Bei Bewohnern von Musljumowo wurden in den Chromosomen Dizentriks entdeckt, und es zeugt davon, dass in die Organismen der Menschen die frische Strahlung eindringt. Darüber spricht die Wissenschaftlerin NINA SOLOWJOWA, Genetikerin aus Nowosibirsk. Und nur die Ärzte von unserer gebietssanitärepidemiologischen Station wollen die Welt überzeugen und uns beweisen, dass die Lage in Musljumowo normalisiert ist. Ist es möglich, dass diese Ärzte bis jetzt nicht wissen, dass die Ufer des Flusses Tetscha zu den festen radioaktiven Abfällen zählen, ihre Bewohner Strahlungsdosen bekommen haben, und auf allen Karten eine Plutoniumspur bis Tscheljabinsk verzeichnet ist!

Und deshalb wird in den Bezirken der Strahlungskatastrophen eine Vergrößerung der Zahl erblicher und schwerer chronischer Anomalien erwartet. Die Anzahl onkologisch Kranker, die auf der Liste im Bezirkskrankenhaus in Musljumowo stehen, ist drei Mal größer als die Durchschnittszahl im Gebiet Tscheljabinsk, und die Erkrankungshäufigkeit der erwachsenen Bevölkerung und die der Kinder in den Siedlungen ist so hoch, dass die Prozentzahl Gesunder sieben Prozent beträgt. 46 % der Kinder waren oft krank. Die Anämien sind bei 50% der Bevölkerung festgestellt. Nicht nur die Menschen leiden, sondern es ist auch ein großer wirtschaftlicher Schaden entstanden.

Dieser nicht erklärte Krieg hat uns in Musljumowo mehr als 431 Tausend Hektar der Erde, 336 Hektar Heuschläge, 95 Tausend Hektar der Weiden weggenommen, es ging die Möglichkeit verloren, mehr als 300 Tausend Hektar Acker zu bewässern. In diesem Zeitraum sind acht Dörfer, 224 Bauernhöfe vom Angesicht der Erde verschwunden. Und um über unseren Bezirk Kunaschak zu sagen, so hat dieser nicht erklärte Krieg 30 Dörfer, 20 Tausend Hektar des Bodens zerstört, etwa 20 Tausend Menschen mussten vor 30 Jahren ihre Heimatorte verlassen.

Auf dem Territorium unseres Dorfrates bildeten sich eine sehr beunruhigende Lage und streckenweise sogar eine Krisensituation. Die Arbeit für ökologische Sanierung wird jetzt noch äußerst unbefriedigend verrichtet. Die Maßnahmen für die Rehabilitation des Flusses Tetscha werden von Tscheljabinsk - 65 (das Kombinat "Majak" - F. B.) nicht durchgeführt, und in den besiedelten Orten tragen sie einen oberflächlichen Charakter - nicht zweckbestimmt, nicht komplex. Es wurden keine ernsten Beiträge zur Formung und der Entwicklung der Bauindustrie, zur Rehabilitation der Bevölkerung, der Rehabilitation des Flusses Tetscha gemacht. Die Bevölkerung lebt auf den infizierten Territorien schlechter als auf den anderen Territorien, obwohl sie besser leben soll. Dieses kleine Stückchen der Erde ist am meisten verschmutzt, am meisten vergessen. Es ist ein Übungsplatz, wo die Ärzte Experimente an den Menschen durchführen, die Geduld des Volkes auf die Probe stellen, ihm gegen seinen Willen nicht nur der Bau der Süduralatomstation, sondern auch die Deponie und die Überarbeitung der nuklearen Abfälle aufzwingen.

Seit 1992 fing die Regierung an, viel Geld aus dem staatlichen Budget in die Rehabilitation der betroffenen Bevölkerung und des Flusses Tetscha zu investieren. Milliarden von Rubeln wurden für die Rehabilitation zugeteilt, aber das Schicksal dieses Geldes ist folgendes: Gebiets- und Bezirksleitung hat es nach ihrem Ermessen verbraucht, aber nicht für das zweckbestimmte Programm. Z. B., die Zeitung "Wybor" vom 29.06.1994 gibt ein unansehnliches Bild der Verwendung des ökologischen Geldes. Ohne zu zögern hat der Leiter des Gebiets 8 Millionen „ökologischer“ Rubeln sich und seinen Stellvertretern als Belohnung für Erfolge gegeben.

In unserem Bezirk Kunaschak hat die Verwaltung beschlossen, einen Kulturpalast zu bauen, im Bezirkszentrum eine Straße zu asphaltieren, eine Reihe der besiedelten Punkte an Gas anzuschließen, den Fernsehturm zu reparieren, ein Fernsprechamt zu bauen, jeder ländlichen Verwaltung eine bestimmte Summe des Geldes für den Bau der Wohnfläche, der Kinderinstitutionen, für den Häuserbau für Personen, die keine Beziehungen zum „ökologischen“ Geld und den Problemen der Bewohner von Musljumowo haben, zu geben. Das heißt die Verwaltung des Bezirkes hat ein solches Programm zusammengestellt, das unsere infizierte Station Musljumowo mit einer Bevölkerung von anderthalb Tausend Menschen gar nicht berührt hat.

Die Wissenschaftler von allen Regionen sollen an den Fragen arbeiten, die wir heute erwähnt haben. Sie sollen nicht nur globale ökologische Programme für die russische Föderation, für das Gebiet Tscheljabinsk entwickeln, sondern auch Miniprogramme für die ökologische Sanierung der Natur jedes besiedelten Punktes der Russischer Föderation entwerfen".

(Aus dem Vortrag VON G.K. PASCHNINA auf 2. Allunionantinuklearen Konferenz, Kazan, 1996.)

Als wir in Musljumowo ankamen, sahen wir, dass Galina Paschnina Recht hatte. Ja, hier ist alles verloren. Den Dorfbewohnern versprach man eine neue Wasserquelle zu finden, sie ist nicht gefunden worden. Den Jugendlichen versprach man, einen Hallenbad zu bauen, er wurde nicht gebaut. Es gibt weder neue Weiden, noch neue Bauten... Die Menschen leben in einem Schwebezustand zwischen Lenben und Tod. Die Dorfbewohner sind tatsächlich in verschiedene Kategorien unterteilt. Die als von der Strahlung betroffene Anerkannten und die, bei denen die Strahlenkrankheit festgestellt wurde, bekommen kleine Privilegien. Und für die, bei denen solche Merkmale bis jetzt nicht entdeckt wurden, ist nichts vorgesehen. Man kann hier sein ganzes Leben mit dem Beweis seiner Krankheiten hiesigen Ärzten und Kommissionen verbringen. Die Strahlenkrankheit wird sehr selten anerkannt, und das nur noch unmittelbar vor dem Tod. Und was die russischen Millionen betrifft, die dem Dorf zugeteilt waren, so verneinen die Bezirksleiter ihren Eingang vollständig. Ihren Worten nach sah der Bezirk dieses Geld nicht. Im Übrigen ist es vollkommen möglich, weil viele Beschlüsse in Russland nur auf dem Papier bestehen. Selbst wenn das Geld zugeteilt ist, kommt es ziemlich oft nicht an, es bleibt in den Taschen oben... Und dem Dorf Musljumowo bleiben die verschmutzten Gewässer, der Boden, der mit den Radionukliden infiziert ist, die vergiftete Luft, in einem Wort, eine qualvolle Existenz...

Die Mitteilung der Agentur „REUTER" aus den infizierten tatarischen Dörfern im Ural:

"Die Gänse und das große Hornvieh von Rija Hammatowa weiden am Ufer des Flusses Tetscha. Und dieser Uralfluss ist eine der meist todbringenden Quellen Russlands. An den heißen Sommertagen suchen ihre Enkel hier Beeren und Pilze, baden in dem durchsichtigen Fluss. Die Wiesen ringsum sind die radioaktivsten Orte in der ganzen Welt. Vor kurzem fand in Kazan aus diesem Anlass die Ausstellung des Fotokünstlers aus Holland Robert Knot statt. Er hat auf seinen Aufnahmen die Bewohner dortiger Dörfer aufs Bild gebannt. Herr Knot wunderte sich über den Optimismus, die Hoffnung der Dorfbewohner auf die Zukunft. "An einigen Orten übertrifft die Strahlung die zulässigen Werte in Tausende von Malen. Aber niemand ist bereit, sich offiziell mit der Übersiedlung von Frau Hammatowa und ihrer Dorfgenossen zu beschäftigen. Die sowjetische Regierung hat ein halbes Jahrhundert gebraucht, um diese Unfälle, dieses Unglück anzuerkennen. Und währenddessen starb das Volk langsam an den Folgen der Strahlung. Clara Ferreyra-Marques schreibt, dass hier einige Menschen eine solche Dosis der Bestrahlung haben, wie sie während der atomaren Tragödie Hiroshimas und Nagasakis war. Die Mehrheit der Bevölkerung wusste darüber bis zum Beginn der Perestrojka - der Zeit der Öffentlichkeit und der Offenheit der 80er Jahre - nicht. Unerträglich schmerzen die Fußgelenke bei der Betroffenen Rija Hammatowa, die am Ufer des Flusses Tetscha lebt. In ihren Gelenken befindet sich der radioaktive Strontium-90. Dafür bekommt sie eine Zulage zur Rente etwas mehr als einen Dollar. Gleichzeitig sagten die Dorfeinwohner dem Berichterstatter der Agentur "Reuter", dass sie von ihren Stammplätzen nicht umgesiedelt werden wollen: "Wie können wir ohne Gemüsegarten überleben?"

1993 gab die Regierung der Russischer Föderation ihre Schuld zu: im hiesigen Kombinat "Majak" stellte man 1949 das radioaktive Plutonium für die erste in der UdSSR gebaute Atombombe her. Es wird angenommen, dass von jener Zeit an 450 Tausend Menschen verstrahlt wurden. Es stellte sich heraus, dass das Kombinat "Majak" 1948, 1951, 1958 eine große Menge der Strahlung auf das Dorf Musljumowo und andere Teile des Tscheljabinsk Gebietes abgeleitet) hat. Und jetzt werden wir einige wichtige Äußerungen bekannter Ökologen, Wissenschaftler, der Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens anlässlich der atom-nuklearen Tests und der Ergebnisse der Strahlungsmessungen anführen, die sich auf das Schicksal des Dorfes Musljumowo beziehen.

NIKOLAJ ILJINSKICH - das korrespondierende Mitglied der Akademie der Wissenschaften, das gültige Mitglied der New-Yorker Akademie der Wissenschaften, Inhaber des Lehrstuhls für Biologie und Genetik, Professor:

"Noch 1965 sagten die Genetiker, dass etwa 1-2 % Neugeborener zur Welt kommen, die durch genetische Anomalien belastet sind. 1975 ist der Anteil solcher Kinder etwa bis 5-6 % gestiegen. 1985 sind die Zahlen bekannt geworden, dass es etwa 10 % Kinder mit genetischen Defekten gibt; man soll nicht zweifeln, dass 1995 diese Zahl bis zu 15 % erhöht wird. Auf solche Weise, ist es sehr leicht, zu berechnen, dass in der historisch kurzen Zeitperiode eine Situation entstehen wird, wenn UNTER DEN NEUGEBORENEN KEIN NORMALES KIND MEHR SEIN WIRD.

Man muss darauf hinweisen, dass SICH BEI DEN NUKLEAREN EXPLOSIONEN UND DEN NUKLEAREN UNFÄLLEN EINE MASSE DER SOGENANNTEN KURZLEBIGEN RADIONUKLIDEN FREISETZT, DIESE RADIONUKLIDE GEBEN BEIM GELANGEN IN DEN ORGANISMUS DEN GENETISCHEN STRUKTUREN DES MENSCHEN EINEN BESONDERS FÜHLBAREN SCHLAG. In diesem Fall ist es praktisch unmöglich mit gewöhnlichen physischen Methoden zu messen, welche Dosis der Strahlung ein Mensch bekommen hat. Wenn man die Ergebnisse der Forschungen japanischer und deutscher Wissenschaftler (aber nicht unserer) liest, kann man erfahren, dass sogar jetzt von den Menschen, die an der Tetscha wohnen, eine Strahlung ausgeht wegen dem radioaktiven Strontium, das in ihren Knochen "sitzt".

( "Unterwegs zur geistig - ökologischen Zivilisation". Kazan, 1996, S.106)

 

NINA ALEXANDROWNA SOLOWJOWA - die Leiterin des Sektors der medizinischen Genetik der russischen Akademie der Wissenschaften der sibirischen Abteilung des Institutes der Zytologie und der Genetik, Kandidatin der biologischen Wissenschaften:

"Jedes vierte Kind in der fünften Generation im Dorf Musljumowo ist nach den genetischen Veränderungen ein Mutant. Die Angaben, die die Wissenschaftler Schilko und Selenzowa aus der Jekaterinburger medizinischen Hochschule bekommen haben, zeugen von einer hohen Frequenz der Erkrankungenhäufigkeit der erwachsenen Bevölkerung und der Kinder in den Siedlungen, die am Fluss Tetscha liegen. Sie betonen dass es sehr wenig Gesunde gibt - sieben Prozent! Die Anämien waren bei 50 % der Bevölkerung festgestellt. Das gefährliche Syndrom nannten wir das Syndrom von Musljumowo, entsprechend dem Namen des Bezirkes, wo es zum ersten Mal entdeckt wurde. In diesem Zusammenhang ist es nötig zu vermerken, dass die ebenfalls beschriebenen Syndrome von Tschernobyl und Kainar dem Syndrom von Musljumowo ähnlich sind. Beide Syndrome sind in den Bezirken der vorigen Strahlungskatastrophen" entdeckt. "

(Das erwähnte Werk, S. 107.)

 

DIE MEINUNG DER WISSENSCHAFTLER DES RUSSISCHEN FÖDERALEN ZENTRUMS DER ANTINUKLEAREN SICHERHEIT:

"Die Flussauen des Flusses Tetscha werden von dem erhöhten Niveau der Gamma und Beta-Verschmutzungen (bis zu 1000 Mikroröntgen/St und 200 Beta-Teilchen/Min) charakterisiert.

Die durchgeführten Messungen haben gezeigt, dass der Fluss Tetscha vom Gesichtspunkt der Radioökologie "kritisch" ist. Der Inhalt des Plutoniums im Punkt 24 auf dem Niveau 827+248 Becquerel/Kg zeugt von seiner erhöhten Konzentration in den Oberläufen des Flusses Tetscha. Die ungünstige Situation bildet sich in der Flussauen des Flusses Tetscha bei dem Dorf Musljumowo"

(Die oben erwähnte Arbeit, S.106)

Wie Sie sehen, warnen die Wissenschaftler einstimmig davor, dass das weitere Leben an den Ufern des Flusses Tetscha und im Dorf Musljumowo gefährlich ist. Und die Beamten aus der Gebietsverwaltung bemühen sich, ganz das Gegenteil zu beweisen. Zu unserer Verfügung steht eine dieser schonungslosen Antworten. Es ist nicht nur eine Antwort eines offiziellen Gebietsleiters, es ist die Meinung aller Atomwissenschaftler, die hinter ihm stehen, der militärischen und der staatlichen Macht Russlands. Weil sie diesen Standpunkt vertreten, wird das Dorf Musljumowo immer noch nicht umgesiedelt, das Volk stirbt langsam aus, dadurch wird ein Teil der tatarischen Nation ausgelöscht...

GENNADIJ NIKOLAJEWITSCH PODTESOW - der stellvertretende Leiter der Gebietsverwaltung Tscheljabinsk:

"Das Dorf und die Station Musljumowo zählen zu den besiedelten Punkten, wo die Dosis der Bestrahlung, die von den Bewohnern durch die künstlichen Quellen der Strahlung jährlich aufgenommen wird, mehr als einen Millisiewert pro Jahr beträgt. Nach den in der Welt und in Russland geltenden Richtlinien befindet sich Musljumowo in solcher Zone der Strahlungskontrolle, für die die Umsiedlung nicht obligatorisch ist... Wer Musljumowo freiwillig verlässt, verliert die Privilegien, die man hatte, während man dort lebte".

(Die Zeitung "Tscheljabinskij Rabotschij", 1998, den 10. Juli.)

Wenn du von Musljumowo wegziehst, so verlierst du alles, aber wenn du hier bleibst, verlierst du auch alles... Das Volk ist in die Ecke getrieben und wagt sich nicht umzudrehen. Wenn die ganze Dorfgemeinschaft liebend gerne diesen Ort verlassen und sich an einem sicheren Ort niederlassen würde, hat sie kein Geld dafür... Das Volk stirbt weiter an der Strahlung, aber wie es aus dem Mund des Gebietsbeamten zu hören ist, "Die Strahlung haben die nur in den zulässigen Mengen" bekommen, deshalb gibt es keine Notwendigkeit ihrer Übersiedlung... Wie wir schon bemerkten, stammt diese Antwort nicht von einem PODTESOW, hinter ihm stehen die Führung des Kombinats "Majak", die Atomwissenschaftler, das Militär, die unehrlichen Ärzte, die Regierung Russlands. Gegen die Bewohner des Dorfes Musljumowo steht die russische Industrie des Todes... Deshalb hat die Menschenrechtlerin Olga Muzafarowa tausendmal Recht, die in ihrem Artikel auf den Seiten der Zeitung "Komsomolskaja Prawda" wahrheitsgetreu schrieb:

"DIE ATOMLOBBY IM BÜNDNIS MIT DEM MILITÄR-INDUSTRIELLEN KOMPLEX IST STÄRKER ALS ALLE REGIERUNGEN UND PRÄSIDENTEN AUF DER WELT.”

Unsere Rechtsanwälte nahmen an den Gerichtssitzungen des Tscheljabinsk Gebietes teil, wobei sie die Menschenrechte der von der Strahlung geschädigten Tataren schützten. Das Fernsehen von Tatarstan strahlte spezielle Sendungen über diese Ereignisse aus, in der tatarischen Presse erschienen ernsthafte Publikationen. Freilich, erwarten unsere Landsleute bei Tscheljabinsk von uns konkrete Handlungen, d. h. eine schnelle Übersiedlung vom infizierten Territorium. Aber es ist eine sehr komplizierte Aufgabe, die nur auf dem föderalen Niveau gelöst werden kann. Wenn die Probleme der Tataren der ganzen Welt nur mit Hilfe Tatarstans gelöst werden, so bedeutet das, dass auch die Verbrechen und die Gräueltaten von Moskau von Kazan wieder gutgemacht werden sollen. Darum flehen uns Tausende von den Landsleuten an, darum bitten uns Tataren, die auf dem atomaren Archipel der Leiden hinter dem Uralgebirge bleiben. Das ist noch ein Brief von ihnen, der an die Adresse des Präsidenten von Tatarstan Mintimer Schaimiew geschrieben ist:

Sehr geehrter Herr Präsident!

Es ist klar, dass Sie Sorgen genug haben, aber hat Tatarstan mit seinen mächtigen Erdöl-, und Flugzeugbauindustrien, mit seinem „Kamas“ (ein Autowerk in Tatarstan – A.T.) wirklich keine Kraft und keine Mittel, um Tataren aus den gefährlichen besiedelten Punkten um das traurig berühmte Kombinat "Majak" auf die Erde der Vorfahren umzusiedeln, wo es, leider (nach den Angaben des tatarischen enzyklopädischen Wörterbuchs), so viele aussterbende Dörfer mit der Bevölkerung von dreizehn und sogar sieben Menschen gibt. Die Tataren von Musljumowo, die Nachfahren der Teilnehmer des Aufstandes von Pugatschow - haben Verdienste an der Nation. ABER DAS WICHTIGSTE IST IHRE SITUATION - DER SCHMERZ ALLER TATAREN! BITTE, SIEDELN SIE DIE LANDSLEUTE VON DER ATOMINSEL UM! Laut dem medizinischen Bericht gibt es dort nichts schreckliches, aber die Kinder werden krank. Alle Ökologen sind sich einig, dass die Umgebung des Kombinats nach wie vor eine schreckliche gefährliche Zone bleibt. Glauben Sie, es wird sich rentieren! Es wird auch zur Festigung Tatarstans durch Tataren führen, es wird auch das Ansehen Tatarstans bei allen Tataren der Welt erhöhen

Hochachtungsvoll, GAINULLINA FARIDA BADRUTDINOWNA, SAKAJEW AIRAT RAWILJEWITSCH, OSMANOWA GAFIRAKAMALETDINOWNA, SAKAJEW? GULNARA RAWILJEWNA, KURBANOW MARAT HASSANOWITSCH..

Moskau, 01.12.2002.

Diesen Teil meines Artikels über Musljumowo will ich mit den Gedichten der Leiterin des Museums für Ökologie W. F.Oshogina beenden. Sie macht sehr viel, um die Welt vor der Strahlungsgefahr, vor dieser Not zu bewahren. Die Gründung der ökologischen Gesellschaft " Das Sturmläuten" und des ökologischen Museums, die Herausgabe der Bücher und der Broschüren zu diese Thematik, die Treffen und Gespräche mit den Schülern über den Naturschutz, die Organisation der Konferenzen, die Pflanzung der Allee des Gedächtnisses der Opfer der Strahlung - das alles wurde unter Leitung von W.F. Oshogina gemacht. Aus dem Inhalt des Gedichtes folgt es, dass ihre nächsten Verwandten auch von der Strahlung gelitten haben und jetzt im atomaren Grab liegen...

Ein Brief an die den Landsleute

 * * *

Wie zum Spott wird das Monster "der Leuchtturm" genannt,
Er hat hiesigen Menschen die Augen verbrannt.
Keine rettenden Strahlen werden verschickt,
Die Radionuklide töten Menschen geschickt,
Die sich schleichen an Menschen unmerklich heran,
Gestern war es mein Nachbar, heute bin ich schon dran!
Bis zum siebenten Glied sind zu Tode verdammt.
Und das Zeichen des Todes ist in Körper gebrannt.

September 2001

Ich fiel nicht in Tschetschenien,
Nicht bei Rshew fiel ich hin,
Nein, ich starb hierzulande,
wo geboren ich bin.
Hier gibt es keine Kugeln
und Nukliden sind stumm.
Mütter tragen zu Grabe
Ihre Kinder darum.
Junge, fröhliche Kerle
Voller Hoffnung und Kraft,
Aber wurde der Tod
in ihr Leben gebracht.
Ich wollte ja leben,
meine Tochter großziehn,
Und da kam plötzlich Schmerz,
Und er raffte mich hin.
Doch verliert nicht den Mut!
Ballt Fäuste zusammen,
um in die Schlachten zu gehen.
Schützt die Menschenrechte! Auf Liebe und Leben,
Das Recht jeden Morgen der Sonne begegnen!
Im gerechten Kampf vergiß nicht von mir,
Sei du ehrlich mit mir, das vermache ich dir.

September 2000